Immer wieder Fridays

Die Ampelkoalition muss mehr tun, damit der Klimaschutz nicht Opfer des Krieges in der Ukraine wird. Der Leitartikel.
Frankfurt am Main - Das Motto für den globalen Klimastreik am Freitag (25.05.2022) lautet #PeopleNotProfit. Es ist bereits der zehnte dieser großen Streiktage, inspiriert vom Vorbild der jungen schwedischen Aktivistin Greta Thunberg. Die hatte 2018 mit ihrem „skolstrejk för klimatet“-Plakat vor dem Parlament in Stockholm den Nerv der Zeit getroffen und die weltweite „Fridays-for-Future“-Bewegung initiiert. Es war die Zeit, in der niemand von Corona und Ukraine-Krieg etwas ahnte.
Ein trauriges Jubiläum. Denn, es ist zwar ein Erfolg, dass die „Fridays“-Bewegung trotz Lockdowns, Maskenpflicht und Abstandsregeln durchgehalten hat, die zwei Jahre lang das öffentliche Leben fast lahmlegten. Es werden global wieder Millionen für das Menschheitsthema Klimaschutz auf die Straße gehen, mit einem Schwerpunkt in Deutschland. Allein hier sind über 300 Demos geplant.
Ukraine-Krieg: Eine historische Katastrophe
Doch zu feiern gibt es angesichts von Wladimir Putins Vernichtungskrieg gegen die Ukraine nichts. Erfolge wie der, dass FFF es 2019 schaffte, die faktisch fast klima-blinde schwarz-rote Bundesregierung immerhin zur Verabschiedung eines milliardenschweren „Klimapakets“ zu bringen, verblassen gegen diese von dem Despoten in Moskau ausgelöste historische Katastrophe.
Natürlich, die Demos stehen unter einem Doppelmotto: „für eine klimagerechte Zukunft und Frieden“. Die beiden Themen sind aufs Engste miteinander verknüpft. Das ist inzwischen wohl dem Letzten aufgegangen. „Jeden Tag zahlt die EU rund 500 Millionen Euro an Putin für Kohle, Öl und Gas, wobei Deutschland einer der Hauptabnehmer russischer Energieimporte ist“, schreibt „Fridays-for-Future“ hierzulande in ihrem Aufruf.
Ukraine-Krieg: Die Mehrheit der Deutschen ist für Boykott
Als Antwort auf Putins Krieg in der Ukraine fordern die Aktivisten einen Importstopp für die fossilen Brandbeschleuniger, die per Pipeline und Schiff zu uns geschafft werden. Und sie haben dabei immerhin eine Mehrheit der Bundesbürger hinter sich, 55 Prozent sprechen sich dafür aus, Putin den Geldhahn sofort abzudrehen. Trotz möglicher Folgen für Wirtschaft und Wärmeversorgung.
Auf Deutschland als größte Volkswirtschaft der EU kommt es hier an, seine Verantwortung ist groß. Bisher lehnt die Bundesregierung einen Lieferstopp ab, aus Sorge vor ökonomischen Verwerfungen und steigender Arbeitslosigkeit. Zu einem gewissen Grad ist das nachvollziehbar. Trotzdem ist ein weiteres Signal an Putin nötig, etwa durch eine Kürzung der Abnahmemengen oder Überweisung des Gelds auf ein Sperrkonto. Und umso mehr kommt es auf eine stringente Energiepolitik an.
Ukraine-Krieg: Die Ampel darf nicht die Fehler der Ära Merkel wiederholen
Das historische Versagen der Regierungen unter Angela Merkel in diesem Zusammenhang ist enorm. Die Ampel darf nicht ähnliche Fehler machen. Es kann gar nicht oft genug betont werden: Die Koalitionen der „Klimakanzlerin“ haben, ob mit SPD oder FDP als Juniorpartner, den Ausbau der erneuerbaren Energien brachial abgebremst, der dank des unter Rot-Grün beschlossenen EEG gerade Fahrt aufgenommen hatte, und zudem die Wärme- und die Verkehrswende schleifen lassen.
Ja, sie haben mit ihren Ausbaudeckeln den Zusammenbruch der deutschen Solarindustrie provoziert und unsere Abhängigkeit von russischen Energielieferungen weiter gesteigert – mit dem Beschluss zu Nordstream 2 sogar noch nach Wladimir Putins völkerrechtswidriger Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014.
Man muss sich das einmal klarmachen: Hätten die CDU-Kanzlerin Merkel und ihre Wirtschaftsminister die Energiewende konsequent fortgeführt, die Selbstversorgung Deutschlands vor allem mit Ökostrom, aber auch mit „grüner“ Wärme in energetisch sanierten Wohnungen wäre heute bedeutend höher.
Die Fridays-Aktivisten warnen
Eine solche Politik auch auf EU-Ebene hätte womöglich Putins Hochrüstung unmöglich gemacht, schließlich sind Energieexporte die Haupteinnahmequellen Russlands. Wer weiß, vielleicht hätte der Despot in Moskau den Angriff auf die Ukraine nicht gewagt. Zumindest liefe seine mit den fossilen Profiten geschmierte Militärmaschine schlechter.
Die Ampelkoalition steht nun vor ihrer Bewährungsprobe. Sie hat zwar das Ziel ausgegeben, die Abhängigkeit von russischer Energie schnell zu senken und zu diesem Zweck die Erneuerbaren noch stärker zu pushen als geplant. Die „Freiheitsenergien“, wie Finanzminister Christian Lindner sie nennt. Doch hier nehmen die Fragezeichen zu.
Der grüne Vizekanzler Robert Habeck tourt durch die Welt, um Ersatzerdgas zu beschaffen, auch das klimaschädliche LNG. Dabei scheut er sich nicht, Deals mit dem wegen Menschenrechtsverletzungen umstrittenen Katar zu machen. Gleichzeitig legt er den Vorschlag für eine EEG-Novelle vor, die nach Ansicht vieler zwar besser ist als die Verhinderungsplanung der Großen Koalition, den nötigen Quantensprung für die Erneuerbaren aber nicht bringen wird. Hier muss nachbessert werden.
Die Fridays-Aktivisten warnen: „Statt neue fossile Abhängigkeiten zu erschaffen, ist es jetzt die Aufgabe der Ampelkoalition, massiv in Wärmepumpen, Solaranlagen und Windräder zu investieren und soziale Ausgleichsmaßnahmen zu schaffen“. Damit haben sie recht. (Joachim Wille)