Bartsch will Kohle und Öl billiger machen – das soll gerechter Klimaschutz sein?

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch will die Erhöhung des CO2-Preises absagen. Aber so geht gerechter Klimaschutz nicht. Ein Kommentar.
Es erstaunt doch immer wieder, was so alles gleichzeitig passiert: In Glasgow ringt die Welt mit begrenzten Erfolgsaussichten um die Begrenzung des Klimawandels, und wenigstens in den Schaufensterreden auf großer Bühne sind sich alle einig: Es soll Schluss gemacht werden mit einer Energieerzeugung zu Dumpingpreisen, in denen die katastrophalen Folgen des Verbrennens von Kohle, Öl und Gas nicht auch nur annähernd abgebildet sind.
In den Hauptstädten der einzelnen Staaten aber, auch in Berlin, fällt jeden Tag irgendjemandem ein Argument gegen die große Energiewende ein, zu der er oder sie sich gerade bekannt hat. Von wirtschaftlichen Lobbygruppen und ihren Verbündeten in der Politik sind wir das seit Langem gewohnt – meistens ist es dann die Rettung des „Industriestandorts“ (also des ökonomischen Status quo), die als Bremsklotz gegen den Klimaschutz in Stellung gebracht wird.
Klimaschutz: Was Dietmar Bartsch vergisst
Aber es gibt auch einen anderen, eigentlich ernstzunehmenden Aspekt, der die Stimmung in Sachen Energiewende kippen zu lassen droht: die soziale Frage. So richtig es ist, sie in Zusammenhang mit den Preisen für Strom und Wärme zu stellen, so fatal ist es, beides gegeneinander auszuspielen.
Genau das tut nicht nur CSU-Chef Markus Söder, wenn er eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie und Kraftstoffe ins Spiel bringt. Nicht weniger gefährlich ist es, wenn der Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch verlangt, die nächste Erhöhung des CO2-Preises Anfang 2022 abzusagen.
Bartsch hat recht, wenn er fordert, das bisherige Marktmodell beim Thema Energie grundsätzlich infrage zu stellen. Seine Partei hat dafür auch Vorschläge, die alle auf einen zentralen Punkt hinauslaufen: Die Kosten der Energiewende müssen gerechter verteilt, Menschen mit wenig Geld (und relativ sparsamem Verbrauch) entlastet werden. Aber das muss und darf nicht bedeuten, ein zentrales (wenn auch womöglich unzureichendes) Steuerungsinstrument wie den steigenden Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen zur Disposition zu stellen – und damit übrigens auch die Reichen zu entlasten, die am meisten verbrauchen und sich auch höhere Preise locker leisten können.
Bartsch spielt ökologische und soziale Frage gegeneinander aus
Eine Partei, die sich der öko-sozialen Transformation verschrieben hat, muss das Element „sozial“ stärker betonen als andere. Aber es gegen den Klimaschutz in Stellung bringen, das darf sie nicht. Ihre Aufgabe ist es, sich sowohl für konsequenten Klimaschutz als auch für sozialen Ausgleich einzusetzen.
Das kann nur bedeuten: Auch im Preis müssen sich die Folgeschäden fossiler Energieerzeugung widerspiegeln, sonst verschwindet ein wichtiges Druckmittel für den Klimaschutz. Und für diejenigen, die sich diesen Preis nur schwer oder gar nicht leisten können und ohnehin weniger verbrauchen, muss es einen Ausgleich geben, der von den Gutverdienenden und Wohlhabenden zu finanzieren wäre. Stattdessen die Preise für alle zu senken, auch für die „oberen Zehntausend“ – das kann nur jemandem einfallen, der die berechtigte Angst vieler Menschen vor teurer Energie mit populistischem Unterton politisch zu nutzen versucht. (Stephan Hebel)