Klimagipfel: Joe Bidens Klimawende beendet die Ära Trump

Die Pläne der neuen US-Regierung, den CO2-Ausstoß deutlich zu verringern, könnten der nötige Quantensprung sein.
Die USA sind wieder da – als Nation, die Verantwortung für das Weltklima übernimmt. Die fossile Trump-Ära ist Geschichte. Das ist das Signal, das Präsident Joe Biden mit seinem zweitägigen Klimagipfel setzen wollte, an dem – im virtuellen Format – rund 40 Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Man kann jetzt schon sagen: Das ist ihm gelungen. Die vorab bekannt gewordenen Pläne der USA, ihren CO2-Ausstoß bis 2030 um die Hälfte gegenüber dem Wert von 2005 zu vermindern, bedeuten einen unerwartet kräftigen Push für die internationale Klimapolitik. Es könnte der Auslöser sein, der die 2020er Jahre zum Wendejahrzehnt macht, in dem die Staaten ihrer Verantwortung endlich gerecht werden, den Klimawandel einzudämmen
Die Zeit bis 2030 ist kritisch. Um die Chance zu wahren, die Erderwärmung noch bei 1,5 Grad zu stabilisieren, müssen die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis dahin gegenüber heute um rund die Hälfte sinken, wie der Weltklimarat IPCC vorgerechnet hat. Das wäre eine radikale Trendwende. Bislang erschien das, und ebenso das etwas weniger ambitionierte Reduktionszenario für das Zwei-Grad-Limit, völlig illusorisch. Der globale CO2-Ausstoß ist in den vergangenen Jahrzehnten fast durchweg gestiegen, trotz Rio-Erdgipfel, trotz Kyoto-Protokoll, trotz Paris-Vertrag. Und auch nach der Corona-Lockdown-Delle droht es so weiterzugehen. Wenn die Politik den Schalter nicht endlich umlegt.
Die Zeit von Donald Trump ist endgültig vorbei
Joe Biden verspricht, das zu tun. Das neue US-CO2-Ziel bedeutet nicht nur die Revision von Trumps Credo, Amerika mit mehr Kohle und Erdöl „great again“ zu machen. Es bedeutet auch eine Verdoppelung der Reduktionsleistung, die Bidens Vor-Vorgänger Barack Obama im Rahmen des Paris-Vertrags 2015 zugesagt hatte. Entscheidend dabei: Der Präsident will das Ganze auch mit einem gigantischen, billionenschweren Investitionsprogramm untermauern.
Schafft er es, das – auch gegen Widerstände im Kongress – umzusetzen, werden die USA in seiner Amtszeit einen Quantensprung unter anderem bei Wind- und Solarenergie, E-Mobilität und der energetischen Gebäudesanierung erleben. Und zudem ein grünes Jobwunder, das Millionen neue Arbeitsplätze schafft. Es wäre ein Signal zum ökologischen Umbau der Industriegesellschaft, der den Rest der Welt nicht unbeeindruckt lassen kann. Die USA sind bekanntlich immer noch die größte Volkswirtschaft der Erde.
Joe Biden: Sein Erfolg bestimmt das Weltklima
Es ist nicht übertrieben zu sagen: Davon, ob Biden Erfolg hat, hängt ab, wie es mit dem Weltklima weitergeht. Ob der Öko-Umbau auch in den anderen wichtigen Ländern und Wirtschaftsblöcken schnell genug kommt – oder die Bremser aus den alten Industrien ihn weiter wie bisher verzögern. Ein erfolgreicher Biden würde zum Beispiel der EU den Spielraum geben, ihr soeben ausgehandeltes Ziel für 2030 von „mindestens 55 Prozent“ CO2-Reduktion nach oben Richtung 60,65 Prozent anzuheben.
Die EU stellt ja derzeit noch den Einäugigen unter den Blinden beim Klimaschutz dar. Ihr Ziel liegt über dem aller anderen Big Player. Nur: Ausreichend für das 1.5- bis Zwei-Grad-Limit ist es eben nicht. Zumal der Beschluss auch noch die Anrechnung der CO2-Speicherfähigkeit von Wäldern zulässt, was das echte Ziel auf rund 53 Prozent drückt.
Dabei soll nicht unterschlagen werden: Auch schon die 55 respektive 53 Prozent stellen eine große Herausforderung dar, zumindest gegenüber dem bisher auch in der EU praktizierten Klimaschutz in Zeitlupe. Sie hat 20 Jahre gebraucht, um die aktuell erreichten 25 Prozent CO2-Minderung zu schaffen. Nun sollen 30 Prozentpunkte oder mehr binnen knapp zehn Jahren draufgesattelt werden. Das bedeutet viel radikalere Schritte in allen Sektoren, von Energiewirtschaft über Verkehr bis Industrie. Doch an ihnen führt kein Weg mehr vorbei, das sollte die Zuspitzung der Klimakrise gezeigt haben.
Klimagipfel: Wie wirkt Joe Biden auf China?
Der für Juni angekündigte Plan der EU-Kommission „Fit für Fifty-Five“ wird sich an Bidens Klimaagenda messen lassen müssen. Die EU sollte eher die Sorge umtreiben, von Washington abgehängt zu werden, als „zu viel“ Klimaschutz zu machen.
Joe Biden
Alle Informationen zum 46. US-Präsidenten finden Sie in den Biden-News.
Wichtiger noch fürs globale Klima ist freilich, wie das Biden-Momentum auf China wirkt, den mit Abstand größten CO2-Produzenten des Planeten. Auch hier könnte die Sorge, in den grünen Märkten der Zukunft zurückzufallen, Wunder wirken. Das Land hat sich zwar schon bewegt, indem es sich voriges Jahr überraschend zum Ziel der Klimaneutralität bekannte – wenn auch erst bis 2060. Doch ein belastbarer Plan fehlt noch, wie es dahin kommen will – stammen derzeit doch noch fast 60 Prozent der Energieversorgung aus Kohle.
Immerhin haben Peking und Washington jüngst gemeinsam betont, beim Klimaschutz vorangehen zu wollen. Und wenn der historische und der aktuelle Obereinheizer des Planeten das tatsächlich umsetzen, ist es mehr als die halbe Miete. Dann können die 2020er Jahre tatsächlich die Wende bringen. (Joachim Wille)