Gespräche über die Ukraine: Genau hinhören lohnt sich

Wie könnte eine Friedenslösung in der Ukraine aussehen? Es lohnt sich, die Konferenzen der nächsten Tage gut zu verfolgen. Der Leitartikel.
München - Niemand sollte von der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende oder von der wenige Tage später beginnenden UN-Generalversammlung allzu viele entscheidende Impulse für ein schnelles Ende des Kriegs in der Ukraine erwarten. Es lohnt sich dennoch, genau hinzuschauen. Im besten Fall wird mit einer Resolution der 193 UN-Mitgliedsstaaten erkennbar, wie eine Friedenslösung aussehen könnte.
Dafür spricht, dass die wesentlichen Strategien und Positionen der Akteure bekannt sind. Der russische Autokrat Wladimir Putin will mit militärischen Mitteln die ganze Ukraine unterwerfen. Kiew verteidigt sich und will die russischen Invasoren aus dem Land vertreiben und zudem die von Russland völkerrechtswidrig annektierte Krim zurückholen.
Die westlichen Verbündeten der Ukraine schicken Geld und liefern Waffen, mit denen sich das geschundene Land verteidigen kann, aber nicht so viel Kriegsgerät, dass die ukrainische Armee die russischen Linien überrennen könnte. Schließlich will man vermeiden, dass Putin wegen einer bevorstehenden Niederlage doch noch Atomwaffen einsetzt. Der US-geführte Westen setzt also de facto darauf, dass der Abnutzungskrieg und die Sanktionen gegen Russland Putins Regime an den Verhandlungstisch zwingt.
Putin hingegen setzt darauf, dass vor allem die westlichen Verbündeten Kiews ob der Opfer und der Kosten für den Krieg das Interesse an dem Konflikt verlieren. Dafür gibt es allerdings keine Anzeichen. Und noch sieht es nicht so aus, als ob Putin die Ressourcen ausgehen.
Das könnte sich allerdings in ein paar Monaten ändern, wenn die angelaufene russische Frühjahrsoffensive keine entscheidenden Geländegewinne bringt und die steigende Zahl der toten Soldaten zusammen mit sinkenen Einkommen für alle Bevölkerungsschichten die Unzufriedenheit der Russinnen und Russen mit Putins „Spezialoperation“ wachsen lässt und dazu führt, dass sich auch Oligarchen mit anderen Teilen der russischen Führungselite gegen den Autokraten Putin stellen.
Eine solche Situation scheint derzeit zwar fern. Doch die Ukraine und deren westliche Verbündete bereiten sich auch auf ein solches Szenario vor - unter anderem mit dem angepeilten UN-Beschluss zum Ukraine-Krieg, der die Bedingungen für einen Frieden in der Ukraine zumindest skizzieren soll.
Hier wird es dann vor allem darauf ankommen, wie sich China positioniert. Bislang hat Peking mit der vielzitierten politischen Linie der prorussischen Neutralität Putins Angriffskrieg zwar nicht verurteilt, hält sich aber an die westlichen Sanktionen, ohne deshalb darauf zu verzichten, russisches Rohöl günstig zu kaufen. Zugleich hat der chinesischen Regierungschef Xi Jinping den Einsatz von Atomwaffen abgelehnt, was auch dazu beigetragen hat, dass Putin nicht mehr mit dem Einsatz von nuklearen Waffen droht.
Peking setzt mit anderen Worten darauf, dass der Krieg Russland schwächt. Gleichzeitig will China es sich mit den ökonomisch wichtigen europäischen Handelspartnern nicht verscherzen, um sich weiter zu entwickeln und Kräfte für den Konflikt mit den USA zu sammeln. Das öffnet für Deutschland und die anderen EU-Staaten Spielräume, um Peking doch noch dazu zu bringen, den Ton gegen Putins Regime zu erhöhen.
Doch allzu viel ist von China nicht zu erwarten. Peking ist nicht daran interessiert, dass Russland den Krieg verliert und in dessen Folge Putin durch eine prowestliche Regierung abgelöst und das Land demokratisiert wird und so die ungeliebten westlichen Werte bis an die chinesische Grenze heranrücken.
Spannend dürfte auch werden, ob der brasilianische Präsident Lula da Silva seinen vorgeschlagenen Friedensklub mit anderen neutralen Staaten mit Leben füllen kann und tatsächlich als Vermittler im Krieg in der Ukraine eine Rolle spielen kann. Oder ob der israelische Premier Benjamin Netanjahu sich erneut als Vermittler ins Spiel bringt.
Beide haben zwar bislang weder allzu viel Energie in einen derartigen Vorstoß investiert. Ihnen fehlt auch noch der Einfluss in Moskau und Kiew. Aber womöglich verändert die Debatte im UN-Plenum die Dynamik.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dürfte als internationaler Akteur nach dem verheerenden Erdbeben ausfallen. Er hat Dank seiner bisherigen Rolle bei den Verhandlungen zum Getreideabkommen bewiesen, dass er ein gewisses Maß an Einfluss in Moskau und Kiew hat.
Es wird sich also in den kommenden Tagen lohnen, auf Zwischentöne bei der Sicherheitskonferenz und der UN-Versammlung zu achten. Kleine Fortschritte sind möglich.
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