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Präsidentschaftskandidat Gerhard Trabert: Die Linke setzt ein wichtiges, aber unzureichendes Signal

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Von: Stephan Hebel

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Der Mainzer Arzt und Hochschuldozent Gerhard Trabert ist der Kandidat der Linken für das Amt des Bundespräsidenten.
Der Mainzer Arzt und Hochschuldozent Gerhard Trabert ist der Kandidat der Linken für das Amt des Bundespräsidenten. © Boris Roessler/dpa

Ein Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, ein Vertreter der aktiven Zivilgesellschaft: Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn Linkspartei-Kandidat Gerhard Trabert Bundespräsident würde. Der Kommentar.

Frankfurt am Main - Die Vorstellung, es käme bei der Wahl des Bundespräsidenten zu einer Sensation, ist schon aus einem Grund äußerst reizvoll: Ein Staatsoberhaupt, das im Arztkittel Obdachlose behandelt – wenn Deutschland sich an dieses Bild gewöhnen würde, hätte es sich schon ein kleines Stück weit verändert.

Dazu wird es, wie wir wissen, nicht kommen. Der Arzt und Sozialarbeiter Gerhard Trabert, seit Neuestem Kandidat der Linkspartei für das Amt des Bundespräsidenten, hat keine Chance. Eine übergroße Koalition aus SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU wird am 13. Februar Frank-Walter Steinmeier im Amt bestätigen. Trabert wird seine Ankündigung, wenigstens alle zwei Wochen vom Schloss Bellevue in das Arztmobil seines Vereins „Armut und Gesundheit“ zu wechseln, nicht wahrmachen können.

Wahl des Bundespräsidenten: Gerhard Trabert - ein Kandidat ohne Chance

War es also falsch, mit Trabert ins Rennen zu gehen, weil er doch ohnehin keine Chance hat? Lässt sich Trabert instrumentalisieren von einer Partei, die „nur“ ein bisschen Aufmerksamkeit auf sich lenken will? Solche Fragen sind dem Kandidaten bereits gestellt worden, aber er hat sie souverän und treffend beantwortet: Erstens könne er sich schlecht instrumentalisiert fühlen, wenn er doch die Ziele der Linken in seinem Feld, der sozialen Gerechtigkeit, teile. Und zweitens, noch wichtiger: Unabhängig vom Ergebnis sei es schon etwas wert, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ein immer noch zu wenig beachtetes Thema zu lenken: „Armut macht krank. Krankheit macht arm“, so spitzt es Trabert auf seiner Homepage zu.

Sollte es der Linkspartei gelingen, sich auf diesem Weg wieder etwas mehr als Partei der sozialen Gerechtigkeit zu profilieren, dann wäre das von Nutzen nicht nur für sie. Es wäre auch ein wichtiger Fingerzeig für eine Gesellschaft, die dem Skandal der Armut mitten im Reichtum noch immer zu wenig Aufmerksamkeit schenkt.

Ein Manko allerdings haftet an der Kandidatur von Gerhard Trabert

Aber das ist noch nicht alles: Auch unabhängig von seinem Thema steht Gerhard Trabert für jenen gar nicht so kleinen Teil der Zivilgesellschaft, der etwas viel Wichtigeres und zugleich Anstrengenderes tut, als hinter Rechtsextremen und Verschwörungsfantasierenden durch die Straßen zu rennen. Für diejenigen also, die sich oft unterhalb der allgemeinen Wahrnehmungsschwelle gegen die ungleiche Verteilung von materiellen Gütern und Menschenrechten engagieren – und dabei das Bessere, für das sie im Großen eintreten, oft im Kleinen schon leben.

Auch im Sinne dieser zahllosen, oft mühsam kämpfenden Initiativen und Bewegungen setzt dieser Vorstoß der Linken ein Zeichen. Allerdings haftet ein schweres Manko zwar nicht an der persönlichen Qualifikation des Kandidaten, aber sehr wohl an der Kandidatur: Dass eine Frau mit vergleichbarem Profil und ähnlichen Qualitäten wie Trabert entweder nicht gefunden oder nicht ausreichend gesucht worden ist, kann eigentlich im Jahr 2022 kaum wahr sein. Es wäre einfach zu schön gewesen zu sehen, wie sich diejenigen in anderen Parteien, die Feminismus und Parität im Munde führen, zu einer starken Kandidatin der Linken verhalten hätten. (Stephan Hebel)

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