Selbst wenn Putin aufgibt, gibt es noch große Probleme
Spätestens nach dem verbalen Fernduell zwischen Biden und Putin besteht kein Zweifel mehr: Der Krieg in der Ukraine wird so schnell nicht enden. Der Leitartikel.
Kiew – Wer noch gehofft hat, dass der Krieg in der Ukraine bald enden könnte, den hat der russische Autokrat Wladimir Putin mit seiner Rede zur Lage der Nation eines Schlimmeren belehrt. Er hat nicht nur die Menschen in Russland auf einen langen Krieg eingeschworen, sondern auch gezeigt, dass er immer noch etwas findet, um den Konflikt weiter zu eskalieren. Jetzt setzt er Russlands Teilnahme am nuklearen Abrüstungsvertrag mit den USA aus.
Damit schürt er indirekt Ängste vor einer atomaren Bedrohung und befeuert vor allem die damit verbundene Debatte in Deutschland. Russinnen und Russen will er Stärke demonstrieren. Auf einem anderen Blatt steht, ob sie ihm das und sein Narrativ vom aggressiven Westen glauben. Sie werden ihn aber sicher weiter unterstützen.
Putin möchte im Ukraine-Krieg nicht einlenken
Putin machte erneut unmissverständlich deutlich, dass er nicht einlenken wird und die Entscheidung des Krieges weiter auf dem Schlachtfeld sucht, um seinen imperialen Traum eines Großrusslands umzusetzen. Dass er das zerbrochene Imperium wieder zusammenfügen will, verdeutlichen auch die bekanntgewordenen Pläne, wonach Moskau Belarus bis 2030 schrittweise Russland einverleiben will.

Der Ukraine lässt Putin nach wie vor die Wahl, sich zu ergeben oder gegen den Aggressor zu kämpfen. Und Kiews westliche Verbündete werden das geschundene Land weiter mit allem unterstützen, was nötig ist. Daran ließ etwa US-Präsident Joe Biden weder während seines Besuchs in Kiew noch bei seiner Visite in Polen einen Zweifel.
Waffenstillstand ausgeschlossen: Weiter kein Frieden in der Ukraine
Spätestens nach dem verbalen Fernduell zwischen Biden und Putin sollte also allen klar sein, dass ein Frieden weit entfernt ist. Daran dürfte auch die für Freitag angekündigte chinesische Initiative kaum etwas ändern. Denn weder Moskau noch Kiew sind bereit zu verhandeln.
Einen möglichen Waffenstillstand haben viele Verantwortliche auf beiden Seiten des Atlantiks bereits während der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende ausgeschlossen. Er würde nur Putin in die Karten spielen, weil er zum einen seine Armee neu aufstellen könnte. Zum anderen könnte er den eingefrorenen Konflikt wieder anheizen, wann immer es ihm passt.
Wie kommt Frieden im Ukraine-Krieg? Wer mit Verhandlungen beginnen könnte
Man wird sich also darauf einstellen müssen, dass der Krieg in der Ukraine mit allen bekannten Folgen weitergeht. Dass die westlichen Verbündeten weiter Waffen liefern und darüber diskutieren werden. Der US-geführte Westen wird weiter Sanktionen verschärfen. Nur Putin kann diesen Teufelskreislauf stoppen, wenn er doch irgendwann einsieht, dass er den militärischen Konflikt nicht gewinnen kann.
Erst dann wird geredet werden, erst dann wird der Konflikt am Verhandlungstisch gelöst werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass solche Gespräche durch einen diplomatischen Vorstoß Kiews und der westlichen Verbündeten früher herbeigeführt werden können. Realistisch ist dies aber nicht.
Ukraine-Krieg: Selbst wenn Russland sich zurückzieht, gibt es noch Probleme
Sollte Putins Regime die russische Armee tatsächlich irgendwann aus der Ukraine abziehen, müssen weitere Probleme gelöst werden. Wer garantiert der Ukraine ihre Sicherheit? Die Nato scheidet als Unterstützer aus, weil Moskau sie nicht akzeptieren dürfte. Die UN ebenfalls, weil Russland im UN-Sicherheitsrat bei einem Zwist ein Veto einlegen könnte. Ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, die mit dem Wiederaufbau und Reparationen sowie den zu sühnenden Kriegsverbrechen verbunden sind.
Es wird zudem Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis das verloren gegangene Vertrauen zwischen Russland und den EU-Staaten wiederhergestellt ist. So lange wird Europa den einstigen Partner Russland als Bedrohung empfinden und deshalb die ernstzunehmende Abschreckung aufrechterhalten. (Andreas Schwarzkopf)