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Rentenreform in Frankreich: Macron droht eine bittere Niederlage

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Von: Stefan Brändle

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Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich mit seiner Rentenreform verspekuliert. Unfreiwillig könnte er zum Förderer der Rechtsextremistin Le Pen werden.

Paris - Frankreich sackt in eine schwere politische Krise. Der Verfassungskniff mit Artikel 49.3, mit dem Emmanuel Macron seine Rentenreform gegen den Willen des Parlamentes durchdrücken will, brachte die schwelende Wut der Menschen über den Eigensinn ihres Präsidenten offen zum Ausbruch.

Ob sein Land das Rentenalter jemals von 62 auf 64 Jahre erhöhen wird, ist noch nicht sicher: Der Verfassungshof und diverse Misstrauensanträge könnten das Unterfangen noch vereiteln.

Und nun, Monsieur le Président?
Und nun, Monsieur le Président? © Julien Mattia/Imago

Rentenreform in Frankreich: Macron droht eine Niederlage

Politisch ist der Scherbenhaufen aber bereits perfekt. Das umstrittene und hart bekämpfte Vorhaben hat seinen Urheber nicht etwa mit dem Glorienschein des mutigen Reformers ausgestattet, wie das der narzisstische Präsident zweifellos geplant hatte. Vielmehr steht Macron nun allein und mit dem Rücken zur Wand da. Wenn es stimmt, dass der Rentenkonflikt in Paris nur mit einem Gewinner und einem Verlierer enden kann, dann ist die Gefahr für Macron groß, dass er die Partie zum Schluss verliert. Wie es scheint, ist nur noch das Wie offen.

Frankreichs Präsident hatte gewiss auch Pech. Seinen ersten Renten-Vorstoß musste er in seiner ersten Amtszeit wegen der Covid-Krise abblasen. Unverständlich bleibt, warum Macron diese Reform, die auf einem gerechteren Punktesystem basierte, so zusammengestrichen hat, dass zum Schluss nur noch das Rentenalter von 64 Jahren übrig blieb. Und es ist wenig ausgeglichen, trifft die Früheinsteiger und Frauen härter als die anderen Menschen in Frankreich.

In Frankreich setzt sich der Protest gegen Macrons Rentenreform fort.
In Frankreich setzt sich der Protest gegen Macrons Rentenreform fort. © Jeremias Gonzalez/dpa

Emanuel Macron: Selbstverliebtheit rächt sich doch

Heute rächt sich, dass Emmanuel Macron in seiner Selbstverliebtheit seit seiner ersten Wahl 2017 darauf verzichtet hatte, erstens eine starke Partei mit starken Köpfen aufzubauen und zweitens die Sozialpartner in seine Reißbrettprojekte einzubeziehen. Folglich steht der König ziemlich nackt da.

Die Präsidialverfassung der Fünften Republik schützt zwar den Staatschef: Er kann sich über das Parlament hinwegsetzen und ein Gesetz ohne die Nationalversammlung verabschieden, sofern er seine Regierung – nicht sich selbst! – einer Misstrauensabstimmung ausliefert. Über die Klinge springt also notfalls nicht Macron, sondern seine Premierministerin Elisabeth Borne.

Emmanuel Macron droht wegen Rentenreform eine düstere Zukunft

Dieses politische Kuriosum, das auf Charles de Gaulle zurückgeht und in parlamentarischen Demokratien nur noch Kopfschütteln auslöst, wird auch in Frankreich immer weniger verstanden. Denn die Zielscheibe der Rentenproteste ist nicht die blasse „première ministre“ Borne, sondern der Urheber der Reform, das heißt le Président selbst. Und seine Demission ist in der Verfassung nirgends vorgesehen.

Macrons Zukunft ist dennoch düster. Vielleicht übersteht seine Regierung die Misstrauensabstimmung: Die Rechtsextremen, die Konservativen und die linksradikalen „Unbeugsamen“ werden es am Montag nicht mit Sicherheit schaffen, ihre Stimmen gegen das Regierungslager zusammenzulegen. Und vielleicht vermag Macron sogar seine Reform in Kraft zu setzen. Selbst in diesem – eher unwahrscheinlichen – Fall wäre Macron aber politisch angeschlagen und isoliert.

Nach der Rentenreform in Frankreich fehlt Emmanuel Macron die Kraft für weitere Projekte

Wie er die vier Jahre bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen überstehen soll, bleibt da schleierhaft. Daumendrehen ist nicht Macrons Ding; doch für wirkliche Reformen in Schlüsselbereichen wie Finanzen, Klima, Energie oder Steuern hätte er kaum mehr die Kraft.

Unabhängig von jeder Rentenreform drängt sich deshalb der Schluss auf, dass Frankreich für Deutschland in den nächsten Jahren ein schwacher, instabiler Partner werden könnte. Das gibt Anlass zur Sorge in Zeiten, in denen das Umfeld bedrohlich wirkt und beherzte deutsch-französische Initiativen gefragt wären. Macron wird weiterhin viel Aktivismus und künstliche Energie an den Tag legen. Wirkliche Kraft hat der rührige Präsident aber schon heute nicht mehr.

Andere Parteien und Personen werden in Paris in die Bresche springen. Vor allem eine Politikerin namens Marine Le Pen. Macron hat sich immer als Bollwerk gegen die Frau von rechts außen bezeichnet. Wird er zuletzt noch unfreiwillig zu ihrem Förderer? (Stefan Brändle)

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