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Kommentar
Erst Anfang vom Ende
- vonAndreas Schwarzkopfschließen
Die Freude über den Start der Corona-Impfungen ist gedämpft, weil die Impf-Phase nicht nur Probleme löst, sondern auch welche schafft. Der Kommentar.
Nicht jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Beim Start der Corona-Impfungen bemühten sich zwar viele darum, den besonderen Moment als historisch herauszustreichen oder sprachen gar vom Beginn einer Ära. Manch Europäer beschwor gar das Gefühl der Einheit herauf. Doch die ganz große Freude blieb aus, weil es eben nur der Anfang vom Ende der Pandemie ist. Die Impf-Phase löst nicht nur Probleme, sie schafft auch welche.
Natürlich ist es bemerkenswert, wie schnell Pharmafirmen den Impfstoff entwickelt und Deutschland und die anderen EU-Staaten Impfpläne erstellt haben, um das Vakzin möglichst gerecht innerhalb der Bevölkerung zu verabreichen. Doch trotz der akribischen Vorbereitung wird die Impfphase nicht reibungslos verlaufen. Das belegen kleinere Pannen. Bereits am Sonntag musste Rund um Augsburg der Impf-Start verschoben werden, weil die Kühlkette nicht sicher war.
Problematischer als solche verschmerzbaren Schwierigkeiten dürfte sein, ob und wie vermieden werden kann, dass im Verlauf der Impf-Phase der Druck auf Impfunwillige steigt. Es gibt zwar keinen Impfzwang. Doch geraten zurückhaltende Menschen und Skeptiker moralisch in ein Dilemma, wenn betont wird, dass möglichst alle sich möglichst schnell impfen lassen sollten, um Leben zu retten, sie aber diesen Schritt nicht gehen können oder wollen.
Praktisch wird es problematisch, wenn Geimpfte möglichst schnell in ein normales Leben zurückkehren wollen. Bislang reichen Versprechen, die Geimpften erhielten keine Privilegien. Doch was wird sein, wenn im Laufe der Zeit die Zahl der Geimpften wächst? Wie geduldig werden sie warten, bis die sogenannte Herdenimmunität erreicht ist und mehr oder weniger alle sich ohne Corona-Regeln bewegen können?
Wie lässt sich verhindern, dass etwa Hotels Geimpfte beherbergen und dafür aber einen Impfausweis verlangen? Und wie reagieren Jüngere, wenn die Risikogruppe der Älteren geimpft ist? Werden sie dann weniger vorsichtig sein und etwa die Abstandsregeln weniger oder gar nicht mehr einhalten?
Schwerer wiegt allerdings, dass noch ein weltweiter Impfplan fehlt. Das ist nicht nur ungerecht. Schließlich erkranken und sterben auch Menschen in weniger reichen Ländern an dem Virus, das Europäer beispielsweise auf den afrikanischen Kontinent einschleppten.
Ein weltweiter Impfplan ist auch geboten, weil die Menschheit die Pandemie erst im Griff haben wird, wenn sie weltweit verschwindet. Das hilft in einer vernetzten Welt mit einer globalen Wirtschaft allen. Vor allem die Europäer sollten sich möglichst bald dafür einsetzen, dieses Versäumnis zu beseitigen. Sie könnten vorangehen und etwa mit der Afrikanischen Union und den UN dieses Projekt anstoßen.