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Katastrophale Lage: Die Welt darf Afghanistan nicht vergessen

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Von: Andreas Schwarzkopf

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Willkommene Spende: Viele Menschen in Kabul und andernorts können es sich nicht mehr leisten, Lebensmittel zu kaufen.
Willkommene Spende: Viele Menschen in Kabul und andernorts können es sich nicht mehr leisten, Lebensmittel zu kaufen. © Petros Giannakouris/dpa

Die internationale Gemeinschaft muss Afghanistan helfen, um Schlimmeres zu verhindern. Der Leitartikel.

Nichts ist gut in Afghanistan seit die radikalislamistischen Taliban im August die Macht mit Gewalt an sich rissen. Und es wird auch lange nicht besser werden, so bitter dies auch sein mag. Denn die selbsternannten Gotteskrieger sind weder in der Lage noch willens das Land zum Wohle aller zu regieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Wirtschaft des Landes seit dem chaotischen Abzug der US-geführten internationalen Truppen im freien Fall befindet. Auch, weil die internationale Gemeinschaft die immensen Hilfen für Wirtschaft und Regierung zu Recht einstellten. Eine Dürre hat die ohnehin angespannte Lebenslage der rund 40 Millionen Afghaninnen und Afghanen noch verschärft. Inzwischen können sich 95 Prozent der Bevölkerung nicht mehr ausreichend ernähren.

Internationale Gemeinschaft darf Afghanistan nicht vergessen

Um so wichtiger ist es, dass die internationale Gemeinschaft Afghanistan nicht vergisst. Schließlich ist sie mitverantwortlich für den Schlamassel, weil es während ihres 20-jährigen Engagements nicht gelungen ist, für stabile Verhältnisse am Hindukusch zu sorgen. Auch deshalb sollten bei der Geberkonferenz möglichst die acht Milliarden Dollar an Hilfsmitteln zusammenkommen, die die Vereinten Nationen anstreben, um damit die Not der Afghaninnen und Afghanen wenigstens zu lindern.

Ein Teil der Summe wird wohl vom Vermögen der früheren afghanischen Regierung kommen. Sieben Milliarden Dollar sind seit der Machtübernahme der extremistischen Taliban bei der US-Notenbank in New York eingefroren. US-Präsident Joe Biden will die Summe teilen.

Mit der einen Hälfte will er der der notleidenden Bevölkerung in Afghanistan helfen, mit der anderen will er Opfer der Terroranschläge vom 11. September entschädigen. Dieses Vorhaben ist zwar rechtlich umstritten. Doch so lange die Taliban nicht anerkannt sind, gibt es keinen Kläger.

Geld sollte nicht den Taliban in Afghanistan zugutekommen

So oder so sollte das Geld für Afghanistan auch wie angekündigt nicht den Machthabern zugutekommen, sondern ausschließlich den Hilfsbedürftigen. Das wird nicht ganz einfach. Denn wenn fast alle hungern, dann können sich auch viele Taliban nicht ausreichend ernähren.

Das beschreibt das grundsätzliche Dilemma der internationalen Gemeinschaft. Einerseits will und darf sie nicht die Taliban anerkennen oder unterstützen, andererseits muss sie den Menschen helfen. Das gelingt jedoch nur, wenn Deutschland und die anderen Staaten tatsächlich nicht nur Almosen geben, sondern wenn sie den Menschen zur Seite stehen.

Beispielsweise indem die Geberländer mit dazu beitragen, dass Afghaninnen und Afghanen ihren eigenen Lebensunterhalt zumindest in der Grundversorgung verdienen können. So sollten etwa landwirtschaftliche Betriebe oder Kleinunternehmen unterstützt werden, die oftmals von Frauen geführt werden, wie es Achim Steiner vom UN-Entwicklungsprogramm vorschlägt. Auf diesem Wege dürfte es Deutschland und den anderen Geberländern gelingen, zumindest im humanitären Bereich Fortschritte zu erzielen. Das gilt nicht im Politischen.

Taliban schränken Frauenrechte in Afghanistan ein

Die Taliban haben seit der Machtübernahme entgegen der Versprechen schrittweise die Rechte der Frauen drastisch eingeschränkt, Amnesty beklagt überdies willkürliche Verhaftungen und Hinrichtungen. Außerdem haben die Taliban zunehmend die freie Berichterstattung eingeschränkt. Alles in allem erinnert das an die erste Herrschaft der Taliban in den Jahren von 1996 und 2001.

Dennoch bleibt der internationalen Gemeinschaft nichts weiter übrig, als weiter mit den regierenden Taliban zu sprechen. Zumindest die humanitäre Hilfe muss mit ihnen koordiniert werden. Außerdem müssen noch weitere Ortskräfte aus dem Land geholt werden.

Die alte und die neue Bundesregierung haben noch nicht alle ehemaligen Unterstützer des deutschen Engagements am Hindukusch nach Deutschland gebracht. Offiziell sind es bislang 13.190. Viele weitere warten noch.

Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes darf nicht verschoben werden

Verzögert hat sich leider auch die angekündigte Aufarbeitung des gescheiterten militärischen Afghanistan-Einsatzes, mit dem sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestags befassen soll. Ursprünglich sollte der Ausschuss spätestens Ende März eingesetzt werden.

Ein Grund für die Verzögerung ist Putins Krieg in der Ukraine. Außenministerin Annalena Baerbock bat um einen Aufschub für den Ausschuss, damit er ordentlich vorbereitet werden kann, wenn nicht mehr so viel Personal sich mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt. Dies mag nachvollziehbar sein. Doch darf dies nicht der Grund sein, den Ausschuss immer weiter zu verschieben. (Andreas Schwarzkopf)

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