Die EU als Gemeinschaft des Geldes

Polen kippt ein zentrales Element der von der EU kritisierten Justizreform. Doch es geht der polnischen Regierung dabei nicht um die Unabhängigkeit der Justiz, sondern allein ums Geld. Der Kommentar.
Polen lenkt ein. Auf den ersten Blick. Das Parlament des Landes kippte nun ein zentrales Element der von der Regierungspartei PiS vorangetriebenen Justizreform: die Disziplinarkammer. Das Gremium konnte die Unliebsamen unter der Richterschaft entlassen oder für Urteile zur Rechenschaft ziehen. Nicht nur Polens Oberstes Gericht äußerte Bedenken. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies dies zurück. Die EU behielt deshalb rund 35 Milliarden Euro ein, die Polen aus dem Corona-Aufbaufonds zustanden.
Vor der Parlamentswahl in diesem Jahr knickte Polens Regierung ein. Man braucht das europäische Geld für Modernisierungen, etwa in der Energieinfrastruktur. Für die EU ist das nur vordergründig ein Sieg. Polens konservative PiS-Regierung setzte sich zuletzt mehrfach über EuGH-Urteile hinweg. Offen stellte sie auch den Vorrang des europäischen Rechts infrage. Um den jährlichen EU-Rechtsstaatsbericht scherte sich die Regierung ebenfalls wenig. So viel zum Wert Europas.
An dieser Haltung änderte sich auch nichts, als Polen nach der russischen Invasion in der Ukraine vom kremlfreundlichen Viktor Orbán in Ungarn abrückte. Es geht Polen in diesem Streit nicht um die Unabhängigkeit der Justiz, sondern allein um die Kohle. Im Klartext: Europa ist weniger eine Werte- als eine Kohle-Gemeinschaft.