Corona-Maßnahmen: Was bedeutet die Omikron-Variante für 2G?

Die neue Coronavirus-Variante Omikron wirft uns im Kampf gegen die Pandemie deutlich zurück - und neue Fragen auf. Der Leitartikel.
Wenn wir später einmal zurückblicken auf den Kampf gegen das Coronavirus, dürften wir uns an drei Situationen besonders erinnern. An die Freude darüber, dass wir uns nach vergleichsweise kurzer Zeit eine Impfung abholen konnten. Bald danach die Erkenntnis, dass der Schutz vor einer Infektion nicht von Dauer ist, sogar früher als nach einem halben Jahr erkennbar nachlässt. Und dann das Auftauchen der Omikron-Variante.
Was sich mit dem – aus Sicht von Corona – optimierten Virus alles ändert, lässt sich noch gar nicht überblicken. Erste Berichte aus der Wissenschaft machen klar: Die Zahl der Impfdurchbrüche vervielfacht sich. Die beiden ersten Spritzen alleine genügen nicht mehr, um eine Ansteckung zu verhindern. Die dritte, bisher als Auffrischung gedachte Impfung gehört mit einem Schlag zur Grundausstattung.
Corona-Lage in Deutschland: Entfällt demnächst das Impf-G?
Alleine schon dieser Sachverhalt hat es in sich. Denn der Booster-Piks fehlt 40 der knapp 58 Millionen Zweifachgeimpften. Von jetzt auf eben entsteht daraus eine riesige Aufgabe.
Auch auf die aktuellen Zugangsbeschränkungen sollten sich die neuen Verhältnisse auswirken, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach einräumt: Wenn der vollständige Schutz erst mit dem Booster komme, müsse das Impf-G bei nur zwei Spritzen entfallen. Heißt konkret: 2G-Veranstaltungen wären künftig nur mit Auffrischung erlaubt, für 3G Tests nötig.
Eine der offenen Fragen ist, wie zuverlässig schließlich die Booster-Impfung vor einer Ansteckung schützt. Am Donnerstag wurde das Schicksal einer deutschen Reisegruppe bekannt, die Südafrika besuchte. Sechs der sieben Mitglieder, sämtlich mit Biontech geboostert, tragen Omikron in sich.
Omikron wird die dominierende Corona-Variante werden
Nur um es klarzustellen: Eine Vollimmunisierung mit Booster-Impfungen schützt besser als alles andere – mehr als überstandene Infektionen und sehr viel mehr im Vergleich zu Menschen ohne jeglichen Schutz. Aber sie kommt möglicherweise nicht immer gegen Omikron an. Eine neue Situation.
Die Variante trickst nicht nur öfter Immunisierungen aus. Sie verbreitet sich auch deutlich schneller als sämtliche älteren Verwandten. Die Wissenschaft schätzt die Rate auf etwa 25 Prozent pro Tag. Oder anders ausgedrückt: Es gibt alle drei bis vier Tage eine Verdoppelung.
Dass Omikron als dominierende Variante Delta ablösen wird, gilt daher als gesetzt. Diskutiert wird lediglich, ob das schon vor Weihnachten so sein wird oder erst im Januar. Spätestens dann werden sich all jene, die politische Entscheidungen zu treffen haben, mit einer völlig neuen Dynamik konfrontiert sehen. Wer dann Fragen in Runden besprechen will, die 14 Tage später zusammenkommen, muss in dieser Zeit mit einer 32-fachen Steigerung der Infektionszahlen rechnen. Auf den Corona-Krisenstab der Bundesregierung mit Bundeswehr-General Carsten Breuer an der Spitze kommt eine ungeahnte Herausforderung zu.
Das Ausbreitungstempo ist die eine Sache. Die entscheidende Frage bleibt aber, wie krank Omikron macht. Darüber lässt sich nach so kurzer Zeit wenig Belastbares sagen. Der Virologe Christian Drosten warnt davor, erste Berichte aus Südafrika über leichte Verläufe direkt auf Deutschland zu übertragen. In Südafrika sei „praktisch jeder“ in den vorangegangenen Wellen infiziert worden, womit eine gewisse Immunität einhergeht.
Omikron wirft uns im Kampf gegen das Coronavirus zurück
In Deutschland dagegen gelten Millionen Menschen im mittleren Alter weder als geimpft, noch als genesen. Und von den über 60-Jährigen sind noch 14 Prozent ohne Piks. Es ist deshalb richtig, dass die Bundesregierung die Impfkampagne voranbringen will. Sie sollte dabei insbesondere jene in den Blick nehmen, die die Spritzen bisher gänzlich gescheut haben. Es wird ein Wettlauf mit Omikron, bei dem uns immerhin die aktuellen Einschränkungen einen kleinen Vorteil verschaffen können.
In Südafrika zeigt sich, dass mit der Variante vermehrt Kinder so erkranken, dass sie ins Hospital müssen. Ein Fünftel aller Aufnahmen sind Mädchen und Jungen, bis zu neun Jahren alt. Möglicherweise sind die Kinder wenig immunisiert, und Omikron macht ihnen mehr zu schaffen als frühere Varianten.
Sollten auch in Deutschland schwere Verläufe bei Kindern zunehmen, geriete die Argumentation der Ständigen Impfkommission ins Wanken. Die zeigt sich bisher mit Empfehlungen für den Nachwuchs zögerlich mit dem Argument, es gebe kaum schwere Erkrankungen in diesem Alter; der individuelle Nutzen von Impfungen sei für Kinder zu gering.
Omikron, das ist die unbequeme Zusammenfassung, wirft uns im Kampf gegen Corona deutlich zurück. Verzeiht uns keinerlei Verzögerungen. Und verlangt noch mehr Geduld und Verständnis. (Michael Bayer)