Chance für die Kleinen bei den Europawahlen

Auch eine Mini-Partei kann in Europa den Mächtigen auf die Finger schauen. Deswegen sollten die Hürden für das Europaparlament möglichst niedrig sein. Der Kommentar.
Die Sperrklausel im Bundestag – die Fünfprozenthürde – hat sich seit ihrer Einführung nach dem Krieg bewährt. Niemand will mehr „Weimarer Verhältnisse“ aus der Zeit, als Regierungen kurzlebig und fragil waren und der Aufstieg der Nationalsozialisten systemisch begünstigt wurde. Das gilt auch für Landesparlamente.
Doch die geplante Wiedereinführung einer Sperrklausel für die Europawahlen ist eine andere Sache, weil das Europarlament eine andere Sache ist. Der Bundestag wählt die Regierung, das Europaparlament hat diese Befugnisse nicht. Beim EU-Haushalt müssen sich Parlament und der Europäische Rat – die Vertretung der Staaten – einigen. Als Mitgesetzgeberinnen und -gesetzgeber können die Abgeordneten einiges bewegen – in Europa geht aber ohne die Zustimmung der Mitgliedstaaten fast nichts.
Soll heißen: Das Europaparlament hat neben der Legislative eine Kontrollfunktion für die Kommission und die Länder. Es soll Öffentlichkeit herstellen. Dafür ist es gut, verschiedene Stimmen auch von Kleinparteien miteinzubeziehen. Den Mächtigen auf die Finger schauen – das kann auch eine Minipartei. Die Erfahrung zeigt, dass sich Kleinere oft den größeren Fraktionen anschließen. Es ist nicht bekannt, dass das Parlament vor lauter Zersplitterung gelähmt wäre.