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Kommentar: Risse in der Mauer nach rechts – CDU muss im Umgang mit der rassistischen AfD Farbe bekennen

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Von: Stephan Hebel

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Die CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt: Die einen verteidigen  den Ausschluss einer Zusammenarbeit mit der AfD, die anderen würden die Möglichkeit gemeinsamer Mehrheiten gern mal ausprobieren.
Die CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt: Die einen verteidigen den Ausschluss einer Zusammenarbeit mit der AfD, die anderen würden die Möglichkeit gemeinsamer Mehrheiten gern mal ausprobieren. © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Die CDU diskutiert über den Umgang mit der AfD. Aber wer die extreme Rechte bekämpfen will, muss mehr tun, als Koalitionen mit ihr auszuschließen. Der Leitartikel.

Die Frage, was Landtagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk denken, raubt wahrscheinlich nicht allzu vielen Menschen den Schlaf. Aber die politische Krise, die in Magdeburg wegen dieses Themas ausgebrochen ist, lässt einen genaueren Blick nach Magdeburg sinnvoll erscheinen. Es geht um Medien, wichtig genug. Aber es geht auch um die parteipolitische Ordnung der deutschen Politik insgesamt.

Vordergründig steht der Rundfunk-Staatsvertrag inklusive Beitragssteigerung auf dem Spiel, den 16 Regierungen (auch die von Sachsen-Anhalt) ausgehandelt haben. Schon sein Scheitern wäre ein Desaster, denn hinter der maßvollen Erhöhung stecken komplizierte Kompromisse zwischen unterschiedlichen Auffassungen über Auftrag, Qualität und tatsächlichen Finanzbedarf von ARD, ZDF und Deutschlandradio.

CDU und AfD: In Sachsen-Anhalt steht die Stabilität der Grenzmauer nach ganz rechts zur Debatte

Noch gewichtiger allerdings ist das grundsätzliche politische Signal, das von einem Nein aus Sachsen-Anhalt ausgehen würde. Und hier liegt der Grund dafür, dass Ministerpräsident Reiner Haseloff sich nicht anders zu helfen wusste, als seinen Innenminister und CDU-Parteifreund Holger Stahlknecht zu entlassen.

Wer so etwas tut, muss dringende Gründe haben. Und die hat Haseloff. In Magdeburg steht die Stabilität der Grenzmauer nach ganz rechts zur Debatte – genau wie Anfang des Jahres in Thüringen, als CDU und FDP bei der Wahl des Ministerpräsidenten mit der AfD gemeinsame Sache machten. Und die Risse in dieser Mauer reichen tiefer, als es auf den ersten Blick erscheint.

Teile der CDU wollen mit der rassistischen AfD zusammenarbeiten

Oberflächlich betrachtet, ist die Konfliktlage zwar bedrohlich, aber relativ einfach überschaubar: Auf der einen Seite stehen diejenigen in der CDU, die den Ausschluss einer Zusammenarbeit mit der AfD verteidigen. Auf der anderen finden sich diejenigen, die die Möglichkeit gemeinsamer Mehrheiten gern mal ausprobieren würden. So sehr die Ablehnung höherer Rundfunkbeiträge ehrlicher Überzeugung entsprechen mag, so sehr käme ihnen dieser Anlass gelegen, um es mit einer Minderheitsregierung unter Duldung der extremen Rechten zu versuchen.

Diese Strategie ist höchst gefährlich, denn die AfD ist eine durch und durch rassistische Partei, und zwar als Ganze. Wer das nicht glaubt, sollte sich mal das Programm anschauen, statt einfach nur der hingebungsvollen Berichterstattung über Streitereien zwischen einem angeblich „bürgerlichen“ und einem offen rechtsextremen Lager zu folgen.

Aber so dumm und gefährlich die Annäherungsversuche an eine solche Partei auch sind, so real ist ihr Hintergrund: Vor allem, aber nicht nur in den östlichen Bundesländern treibt die Existenz der AfD die demokratischen Parteien in lange Zeit ungewohnte Bündnisse, die vor allem einem Zweck dienen: eine Regierungsbeteiligung der extremen Rechten zu verhindern.

Die Erfolge der AfD gründen auf einem bestimmten Denkmuster

So notwendig das ist, so problematisch ist es: Die über inhaltliche Differenzen hinweg zusammengebastelten AfD-Verhinderungskoalitionen mit Beteiligung von CDU, SPD und Grünen sind nicht nur eine Konsequenz aus der parlamentarischen Erfolgsgeschichte der extremen Rechten. Sie haben auch das Zeug dazu, die Partei, deren Bekämpfung sie dienen sollen, zu stärken oder doch zu stabilisieren.

Wie das? Die Erfolge der AfD, deren Ende noch lange nicht so sicher ist, wie viele meinen, gründen ja zum großen Teil auf einem bestimmten Denkmuster: Die etablierten Parteien, so lässt es sich zusammenfassen, stünden alle für dasselbe. Sie verträten nur die liberalen „Eliten“, die sich für Geflüchtete oder andere Minderheiten mehr interessierten als für „das deutsche Volk“.

Das ist natürlich plumpe Propaganda. Aber gerade wer ihr Wirksames entgegensetzen will, sollte sich fragen, was tatsächlich schiefgelaufen ist im Parteiensystem. Ob es – erst recht in schwierigen Zeiten – guttut, wenn sich der größte Teil des politischen Personals derart in der „Mitte“ drängelt, dass ein fruchtbarer Grundsatzstreit über richtige Wege in die Zukunft nur noch selten stattzufinden scheint. Ob nicht die angebliche „Alternativlosigkeit“ von 15 Merkel-Jahren die Anmaßung der Rechten begünstigt hat, sich zur einzig wahren „Alternative für Deutschland“ zu erklären.

Zusammen mit der AfD ein stramm rechtes Lager zu bilden, ist grundverkehrt

Wenn diese Diagnose stimmt, wird es dadurch noch lange nicht richtiger, sich dem Partei gewordenen Rassismus anzunähern und mit der AfD zusammen ein stramm rechtes „Lager“ zu bilden. So, wie die Lage ist, müssen sich die demokratischen Parteien bei Bedarf gemeinsam der AfD entgegenstellen. Ob das allerdings heißt, dass sie immer gleich miteinander koalieren müssen, ist zu bezweifeln.

Wer der AfD das Wasser abgraben will, muss dafür sorgen, dass es innerhalb des demokratischen Spektrums wieder einen lebendigen Wettbewerb gibt. Dazu könnten auch Minderheitsregierungen beitragen, die Profil zeigen und sich erst dann ihre Mehrheiten suchen – allerdings nicht, wenn sie auf Stimmen aus dem extrem rechten Lager schielen. (Stephan Hebel)

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