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CDU-Sieg bei Berlin-Wahl dank schnöder Law-and-Order-Politik

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Von: Martin Benninghoff

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Nach der Berlin-Wahl muss die Hauptstadt aus ihrer politischen Lähmung herauskommen - und wichtige Reformen endlich anpacken. Der Leitartikel.

Die CDU ist die eindeutige Siegerin der Berliner Wiederholungswahl - daran gibt es nichts zu deuteln. Sie hält SPD und Grüne auf weiten Abstand, pulverisiert die FDP und beschränkt die AfD auf Einstelligkeit. Nach einem Vierteljahrhundert - da hieß der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen - sind die Christdemokraten wieder stärkste Kraft im Senat. In der tendenziell politisch linken Hauptstadt wiegt dieser Erfolg noch schwerer als im schwarzen Stammland. Davon wird auch die Bundes-CDU von Parteichef Friedrich Merz profitieren.

Berlin-Wahl: Franziska Giffey nutzt ihre Chance nicht

Drei Erkenntnisse nach dieser Wiederholungswahl, die nach der verkorksten Abgeordnetenhauswahl im September 2021 nötig wurde: Erstens, die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat ihre Chance, gelinde gesagt, nicht genutzt - das Wahlergebnis ist für sie persönlich eine Ohrfeige. Ja, es ist richtig, sie hatte nur 14 Monate Zeit, zu zeigen, was sie politisch vorhat. Aber in dieser Zeit hat sie sich mit dem Koalitionspartner, den Grünen, gestritten und zugleich versucht, die Brücke zur Oppositionspartei CDU nicht abreißen zu lassen. Ihr sozialdemokratischer Konservatismus hat dazu geführt, dass viele SPD-Anhängerinnen und -Anhänger zum Original, der CDU, abgewandert sind. Für linke Wähler:innen war Giffey indiskutabel, seit sie sich klar gegen die Enteignung von Wohnungsbaukonzernen ausgesprochen hat. Die Linke hat davon profitiert - und mal wieder ein zweistelliges Ergebnis eingefahren. Giffeys Amtsbonus, in Luft aufgelöst.

Berlin-Wahl: Sieg der CDU mit Beigeschmack

Zweite Erkenntnis des Abends: Die CDU hat zwar deutlich gewonnen, aber ihr Sieg ähnelt dem einer schnöden Protestpartei und könnte wenig nachhaltig sein. Sicher profitiert die Partei von der massiven Unzufriedenheit der Berlinerinnen und Berliner mit der politischen „Performance“ der Koalition aus SPD, Grünen und Linken. „Ein besseres Berlin ist möglich“ lautete ein Slogan der CDU, die damit offenbar den Finger in die Wunde legen konnte. Ihre Wahlkampfstrategie ist aufgegangen.

Es gab ja genügend Themen. Es ist zwar richtig, dass manches Klischee über das dysfunktionale Berlin überzogen ist. Aber viele Probleme Berlins sind gewaltig, wie die horrenden Mietsteigerungen in den vergangenen Jahren, die chronisch überforderten Behörden sowie die regelmäßigen Verkehrsinfarkte entlang der Stadtautobahn A100. Die Verwaltung muss weiter digitalisiert und das „Behörden-Pingpong“ abgestellt werden. Bislang stellen sich die Haupt- und Bezirksverwaltungen gegenseitig Beinchen. Dass sich der Senat jüngst in den Eckpunkten auf eine Reform verständigt hat, ist gut, kam für die Wahl aber viel zu spät. Hängen bleibt nur, Berlin kann es nicht - und braucht einen Neustart.

Die CDU feiert mit Gebäck den Sieg bei der Wahl in Berlin.
Die CDU feiert mit Gebäck den Sieg bei der Wahl in Berlin. © Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin-Wahl: CDU-Kandidat Wegner punktet mit Law-and-Order-Wahlkampf

Trägt dieser Neustart den Namen Kai Wegner? Der CDU-Spitzenkandidat ist nicht gerade mit politischem Charisma gesegnet, aber er hat seinen Law-and-Order-Wahlkampf für viele Menschen glaubhaft verkörpert. Nach den Silvesterkrawallen wollte die CDU die Vornamen der Tatverdächtigen wissen - um Stimmung gegen Migrantinnen und Migranten zu machen. Dass mit solchen Methoden Wahlen gewonnen werden können, ist bitter, aber dürfte gerade aus hessischer Perspektive nicht überraschen. Den Weg zu einer modernen liberalen Großstadtpartei geht man so jedoch nicht.

Wegner pocht nach diesem Abend auf den Regierungsauftrag, auch wenn klar ist: Einen solchen Automatismus gibt es in unserem parlamentarischen System nicht. Wer Mehrheiten schmieden kann, stellt die Regierungschefin - so ist es auch in Berlin. Politisch-moralisch aber wird es schwer für Giffey, ihren persönlichen Regierungsauftrag durchzusetzen, der nur daraus bestünde, dass der Wahlsieger anderweitig keine Partner finden würde. Für die SPD-Spitzenkandidatin wäre es vielleicht besser, für eine Zeit der Selbstreinigung in die zweite Reihe zurückzutreten. Ob es dann Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot wird, bleibt abzuwarten. Auch eine Neuauflage der jetzigen rot-grün-roten Koalition ist rechnerisch möglich.

Berlin-Wahl wird zur Klatsche für die Ampelkoalition

Dritte Erkenntnis am Wahlabend: Für die Ampel-Parteien im Bund ist die Berlin-Wahl eine pauschale Klatsche. Neben der SPD ganz besonders für die FDP, die nach Niedersachsen aus einem weiteren Landesparlament fliegt. Für sie geht es an die politische Existenz. Ihr Spitzenkandidat in Berlin, Sebastian Czaja, kann sich hierbei direkt am Familientisch bei seinem älteren Bruder Mario Czaja bedanken. Der ist Generalsekretär der CDU und hat direkten Draht zu Friedrich Merz.

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