Koalition: Augenringe der Macht

Die selbsternannte Fortschrittskoalition fällt in Muster der späten Merkel-Jahre zurück. Die Koalition muss ihre Methodik überdenken - sonst wird sie eines Tages wackeln. Der Kommentar.
Als Klara Geywitz 2019 SPD-Vorsitzende werden wollte (im Tandem mit Olaf Scholz), warf die heutige Bauministerin Angela Merkel vor, ihre Gegner durch Schlafentzug zu zermürben. Marathonsitzungen, dunkle Augenringe als Zeichen äußersten politischen Einsatzes: Merkels Nachtsitzungen waren gefürchtet – hatte die Ex-Kanzlerin doch meist das bessere Sitzfleisch. Während Corona zeigte sich jedoch die Schwäche: Die Güte der Ergebnisse nahm mit der Zahl der Stunden ab, jetzt spürbar für alle.
Auf die Länge kommt es also nicht an - das war eine gute und akzeptierte Konsequenz. Warum verfällt die selbsternannte Fortschrittskoalition zurück in die ermüdende Zeit der späten Merkel-Jahre? Durchstechereien und Nachtsitzungen, überfrachtete Themenlisten und gegenseitige Vorwürfe im Vorfeld, nach dem Motto: Ist erst etwas in der Welt, sind wir gezwungen, es gemeinsam herauszuschaffen. So setzen sich alle gegenseitig unter Druck: Die Koalition hat schon besser gearbeitet.
Es ist daher richtig, noch eine Runde am Dienstag zu drehen. Aber wer setzt solche Sitzungen am Sonntagabend an - und begrenzt sie nicht? Wer überfrachtet sie mit Streitthemen? Die Koalition muss ihre Arbeitsmethodik überdenken - sonst wackelt sie eines Tages.