#allesdichtmachen: Das Corona-Video war der schlechteste Dreh ihres Lebens
Dutzende Schauspieler:innen versuchen sich per Video in Kritik an den Corona-Maßnahmen. Aber mit ihrem Zynismus in der Aktion #allesdichtmachen erreichen sie das Gegenteil. Ein Kommentar.
Das wird eine echte Herausforderung für „Tatort“-Freunde: Wenn demnächst Jan-Josef Liefers in der ARD als Rechtsmediziner Boerne oder Ulrich Tukur als Kommissar Murot auftritt, werden wir uns sehr anstrengen müssen, zwischen den Personen der Künstler und ihren großartigen schauspielerischen Leistungen zu unterscheiden.
Was die beiden und viele andere ihres Metiers jetzt mit ihren Internet-Videos unter dem Hashtag #allesdichtmachen verzapft haben, spottet nicht nur ihrem verdienten Ruhm, sondern jeder Beschreibung. Wie solche Menschen dazu kommen, ihre Popularität für platteste Propaganda im Stile rechtsdriftender „Querdenker“ zu missbrauchen, wird wohl ihr eigenes Geheimnis bleiben. Dass sie es getan haben, wäre angesichts des Niveaus ihrer Einlassungen keine einzige Zeile wert – wenn, ja wenn so etwas nicht geeignet wäre, kaum behebbare Schäden anzurichten.
#allesdichtmachen: Künstler:innen sind Brandstifter
Nicht weil sie die Corona-Politik kritisieren, spielen diese Leute mit dem Feuer, das irgendwann jeden demokratischen Diskurs verbrennt. Nein, fast im Gegenteil: Sie sind deshalb Brandstifter, weil sie eine ernsthafte kritische Auseinandersetzung so unendlich viel schwerer machen.

Ein Beispiel: In einem Ton, den er wohl für ironisch hält, spricht Jan Josef Liefers in seinem Video von „allen Medien unseres Landes“, die „dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört: nämlich ganz, ganz oben“. Das ist, nur notdürftig eingepackt in die Watte misslingender Ironie, der Sound der „Lügenpresse“-Schreier, die ja wirklich glauben, von Angela Merkel befehligte Chefredaktionen würden jeden Morgen den Tagesbefehl „Panikmache“ in die Homeoffices ihrer Schreiberlinge senden. Diese Nähe ändert sich auch nicht, wenn Liefers hinterherschiebt, er habe mit Rechtsaußen und „Querdenkern“ nichts am Hut.
Wie gesagt: Es könnte uns egal sein, und über Fehler von Politik und Medien würden wir einfach weiter vernünftig reden. Aber wie soll – zum Beispiel – durchaus berechtigte Kritik an Beschönigungen und Übertreibungen in der Medienberichterstattung noch möglich sein, wenn ein Oberpromi wie Liefers den Platz des „Kritikers“ mit seinem Unsinn besetzt? Wie sollen wir ernsthaft über verfassungsrechtliche und ethische Grenzen staatlicher Freiheitsbegrenzungen streiten, wenn der große Ulrich Tukur einfach pauschal alles in die Tonne tritt, ohne sich die Mühe des Unterscheidens zwischen richtig und falsch im Konkreten zu machen?
#allesdichtmachen: Diese Künstler:innen sind beteiligt
Pasquale Aleardi | Tina Maria Aigner | José Barros | Gianna Valentina Bauer | Peri Baumeister |
Meret Becker | Martin Brambach | Volker Bruch | Dietrich Brüggemann | Jörg Bundschuh |
Joseph Bundschuh | Samia Dauenhauer | Nadine Dubois | Roland Düringer | Ken Duken |
Christian Ehrich | Werner Eng | Ulrike Folkerts | Inka Friedrich | Markus Gläser |
Bernd Gnann | Cem Ali Gültekin | Nina Gummich | Felix Klare | Kea Könneker |
Vicky Krieps | Jan Josef Liefers | Heike Makatsch | Alexandra Marinescu | Maxim Mehmet |
Thorsten Merten | Wotan Wilke Möhring | Ben Münchow | Richy Müller | Nicholas Ofczarek |
Kathrin Osterode | Jeana Paraschiva | Nina Proll | Trystan Pütter | Claudia Rippe |
Manuel Rubey | Katharina Schlothauer | Christine Sommer | Miriam Stein | Karoline Teska |
Ulrich Tukur | Nadja Uhl | Kostja Ullmann | Jens Wawrczeck | Monika Anna Wojtyllo |
Ramin Yazdani | Hanns Zischler |
#allesdichtmachen: Promis haben der Debatte über Corona einen Bärendienst erwiesen
Leute wie die Prominenten, die sich an dieser Aktion beteiligt haben, könnten in einer Krise wie dieser durchaus wichtig sein. Sie könnten Zweifel äußern, ob die Regierenden wirklich alle von Corona betroffenen Gruppen gleichermaßen schützen wollen. Sie könnten die pauschale und manchmal beliebig wirkende Festschreibung erst dieser und dann jener Grenzwerte kritisieren, auf der ja tatsächlich Einschränkungen unserer Freiheit gestützt werden. Sie könnten das alles mit einem Signal des Mitgefühls mit den Erkrankten und den Angehörigen der Verstorbenen tun.
Sie haben sich stattdessen dafür entschieden, der kritischen Debatte über Corona und die Gegenmaßnahmen durch plumpen Zynismus einen Bärendienst zu erweisen. Das war, um beim Film zu bleiben, der schlechteste Dreh ihres Lebens. (Stephan Hebel)