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Kolumne
CDU: Drei blasse Aspiranten wollen Kanzler werden
- vonRichard Mengschließen
Noch nie war es so leicht, Kanzlerin oder Kanzler zu werden. Doch wer wird es? Die Kolumne.
Eines muss man ihnen zugestehen: Das war so nicht geplant. Dass sich die Ende 2018 erwählte Parteichefin derart schnell als amtsuntauglich erweisen würde, dass dann auf die Schnelle nur drei Männer von gestern kandidieren würden und dass diese drei nach einem Jahr erzwungener Parteipause wie Gruftis wirken – so viel Pech wie die CDU muss man mal haben.
Jetzt treiben sie also auf den Samstag der Entscheidung zu. Hilflos, weil sie allesamt bislang zum eigentlichen Thema des nächsten Wahlkampfes, der nach gewohnten Kriterien auch ein Nicht-Wahlkampf werden kann, kaum etwas beizutragen haben. Das Thema lautet: Wie wollen und werden wir nach Corona miteinander leben? Was bleibt wie einst gewohnt, was ändert sich wie, woran orientieren sich Gemeinsinn und Lebenslust?
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Alle Kanzlerkandidaten der CDU sind ein Schritt zurück
Zwischen Laschet, Merz oder Röttgen ist es nur eine Auswahl mit Blick zurück in eine alte Welt. Nach deren alten Systemregeln müsste es Merz werden, weil der als Einziger nach den unendlichen Merkeljahren eine eigene politische Botschaft mitbringt, die für anderes steht. Freilich: Die Botschaft, sein wirtschaftsliberaler Kurs, passt nicht mehr zur Lage. Seit Corona wünschen sich sogar in der Union alle einen starken Staat.
Aber was bedeuten schon gelernte Systemregeln, wenn Delegierte einander nicht mehr treffen dürfen, nicht mal zum Klüngeln und Einschwören. Wenn es Parteileben faktisch nicht gibt, eine Wahl aus den Wohnzimmern heraus entschieden wird, politische Stimmung weniger vom Erleben als vom Erinnern geprägt ist.
Angst vor Fehleinschätzungen nun allerorten. Selbst der Journalismus traut sich nichts mehr zu, schon gar keine Prognosen. Die politische Kultur ist wie coronatot. Das Publikum verschläft sogar die einzige wirklich spannende Frage, die nach dem Verfahren bei einem unklaren Dreierergebnis ohne absolute Mehrheit, womit ja zu rechnen ist. Wer wird dann Untertan von wem, wer hilft wem – und lässt eine Partei sich ohne eigene Mehrheit führen? Nur bei Röttgen scheint’s, als schmunzele er schon bei dem Gedanken.
30 Jahre nach der SPD: CDU fällt in eine ähnliche Falle
Die SPD hat sich übrigens 1993 selbst versenkt, nachdem der betuliche Rudolf Scharping mit nur 40 Prozent der Mitgliederstimmen (gegen Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul) ohne zweiten Wahlgang zum Sieger ausgerufen worden war. Parteichef, Kanzlerkandidat, Wahlverlierer. Fast 30 Jahre später schlittert die CDU in eine ähnliche Falle.
Merkel weg, CDU-Nachfolger aus der Zeit gefallen. Trotzdem Grüne zahm bis vorauseilend unterwürfig. SPD anhaltend grau. Volk gelangweilt und mit Corona beschäftigt. Ob mit oder ohne Retter Markus Söder: Einer aus der Union wird die nächste Regierung führen, behaupten denkfaul die Auguren. Es wird in all dieser Egal-Stimmung jemand hochgespült werden, demnächst. Noch nie war es so leicht, deutscher Kanzler zu werden. Ein Wahljahr zum Gruseln.
Wäre das Corona-Virus in der CDU, es würde davonlaufen
Wen das Virus wählen würde, wenn es in der CDU wäre? Corona tickt rechts. Verhindert Begegnungen, freies Leben, Blick in andere Kulturen, sorgt für autoritäre Regeln. Kein Wunder, dass die Rechten es nicht fürchten. Wahrscheinlich würde es austreten aus der Union, so blass wie die Aspiranten sind.
Vielleicht ist der Umkehrschluss interessant. Dann müsste ein erfolgreicher Kampf gegen das Corona-Virus doch eigentlich den Rechtskonservativen schaden. Dann wäre die Herbstwahl offen, falls es im realen Leben bis dahin wieder einigermaßen frei zugeht und im Gefühl der Menschen eine neue Zeit beginnt. Unvorstellbar, noch. Hoffentlich verhindert Jens Spahn nicht mit einem schwachen Impfmanagement die Nach-Corona-Niederlage der CDU, mit der bis heute niemand rechnet. (Richard Meng)
Rubriklistenbild: © Federico Gambarini/dpa