Verkehrsinsel mit Bildungsauftrag

Was der Blick in Kreisverkehre preisgibt, ist sonderbar. Die gärtnerische und künstlerische Gestaltung könnte mit ökologischen Ideen Vorbild sein. Die Kolumne.
Sie begegnen einem täglich, egal ob man elektrisch oder mit einem Verbrenner unterwegs ist. Aus dem SUV gestaltet sich der Blick eher von oben herab, aus dem geduckten Kleinwagen fast aus der Frosch-Perspektive. Genauer gesagt, begegnen sie einem nicht aktiv, sondern man fährt auf sie zu und in sie hinein.
Allerorts sollen Kreisverkehre den Verkehr flüssig gestalten, Kreuzungen entschärfen. Während im Autoradio die Schreckensmeldungen vorbeirauschen über den russischen Beschuss des Kernkraftwerks in der Ukraine und die brutale Schlacht um Bachmut, Giftanschläge auf lernbegierige Mädchen und Frauen im Iran, Spekulationen um den Anschlag auf die North Stream Pipelines und all den Wahnsinn in der Welt, kreist man vorfahrtsberechtigt um die Mittelinsel.
Da liegen die Nachrichten über den am Rande des Aberwitzes argumentierenden FDP-Verkehrsminister Volker Wissing mit seinen Ausbauplänen für noch mehr Autobahnen, seinem Nein zum Verbrenner-Aus und Ja zu E-Fuels thematisch doch näher vor der Windschutzscheibe. Die eröffnet den Blick auf die Gestaltung der Mittelinsel, auf der jetzt im Frühjahr wieder orangegekleidete Gärtnerinnen und Gärtner mit frischem Pflanzmaterial gestaltend das tun, was die zuständigen Behörden ihnen aufgetragen haben.
Was erlebt man da nicht alles an Sinn für Schönes und weniger Schönes. Es prangen Blumenbeete mit geklonten Stiefmütterchen, Büschel von Pampasgras, bei dem schon der Name sagt, wo es eigentlich hingehört, und es grünt, was fachlich unter dem Begriff Formschnitthecke subsummiert wird.
Besonders häufig erscheinen Thujas, die auch im heimischen Garten beliebt sind, weil sie die Blicke der Nachbarschaft territorial behindern. Dabei gäbe es auf diesen Inseln im Verkehr die Chance zu naturnaher Bepflanzung, gewissermaßen als Vorbild und Ideengeber für die rundherum kreisenden Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer, doch zuhause exotische Pflanzen durch einheimische zu ersetzen, um beispielsweise Insekten und Singvögeln, von denen viele Arten im Rückgang begriffen sind, ein kleines bisschen mehr Lebensraum zu bieten.
Auch sieht man noch allzu häufig Steingärten, die sich kräftig aufheizen und so zum Klimawandel beitragen. Mancherorts sind sie inzwischen zur Gartengestaltung verboten und wo sie noch erlaubt sind, könnte in den Kreisverkehren schon mal der Trend weg davon gesetzt werden, statt Sonderbares zu produzieren.
Beispielsweise auf der Verkehrsinsel eines niederbayrischen Städtchens, wo blau glitzerndes, Wärme und Blicke anziehendes Schüttmaterial, gekrönt durch einen kaputten Holzkahn, die Donau darstellen soll, die wenige Meter weiter im Original vorbeifließt.
Ähnlich merkwürdig sind die häufig zu sehenden verrosteten Metallfiguren, die nichts über die Region besagen, ökologisch nichts bringen, keinen Bildungseffekt haben. Zwei übermannshohe flachgeklopfte Bananen, die miteinander zu tanzen scheinen, sollen, so hört man, Handys symbolisieren und eine Hommage sein an Philipp Reis, den Erfinder des Telefons, in der Stadt, in der er wirkte. Naja, vielleicht ist das rätselhafte Kunst, was da auf manchen Verkehrsinseln zur Schau gestellt wird. Jedenfalls ließen sie sich, wie klein sie auch sein mögen, gefällig und sinnvoll als ökologische Vorbildflächen nutzen. Mit Empfehlung zur Nachahmung.
Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor.