1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kolumnen

Unbeliebte alte Männer: Bidens Salbung und Trumps Auferstehung  

Erstellt:

Von: Johanna Soll

Kommentare

Voraussichtlich werden 2024 wohl wieder Joe Biden und Donald Trump gegeneinander antreten. Doch ob Biden erneut als Wahlsieger hervorgeht, ist alles andere als sicher. Die USA-Kolumne.

Frankfurt - Derzeit sieht es bezüglich der US-Wahl 2024 stark nach einer Wiederholung der vergangenen Wahl von 2020 aus: Joe Biden gegen Donald Trump. Beide Männer sind alt, Biden ist 80, Trump bald 77 Jahre alt und deutlich unbeliebter als beliebt – laut FiveThirtyEight sehen 42 Prozent Biden positiv, 52 Prozent haben ein negatives Bild von ihm. Bei Trump beträgt der Positivwert 44 Prozent, der Negativwert 52 Prozent. Wie kommt es, dass es wohl Biden sein wird, der erneut für die Demokraten antritt und Trump zurzeit beste Chancen hat, zum dritten Mal hintereinander Präsidentschaftskandidat der Republikaner zu werden?

Die kurze Antwort lautet: Bei den Demokraten hat die Parteiführung das Sagen und zwingt der Wählerschaft den Kandidaten auf, bei den Republikanern ist es umgekehrt. Ironischerweise läuft der Kandidatenauswahlprozess ausgerechnet bei den sonst so demokratiefeindlichen Republikanern demokratischer ab als bei der Partei, die die Demokratie im Namen trägt.

Treten wohl 2024 erneut gegeneinander an: Ex-US-Präsident Donald Trump und sein Amtsnachfolger Joe Biden
Treten wohl 2024 erneut gegeneinander an: Ex-US-Präsident Donald Trump und sein Amtsnachfolger Joe Biden © Brendan Smialowski, Sergio Flores / AFP

Als amtierender Präsident und Parteivorsitzender hat Biden das Erstzugriffsrecht auf die Präsidentschaftskandidatur. Er hat davon Gebrauch gemacht und in diesem Fall stellt sich das Democratic National Committee (DNC), das nationale Organisationsgremium der Demokratischen Partei, hinter den Amtsinhaber. Das DNC wird von Mitgliedern des Partei-Establishments dominiert, die entsprechende Kandidatinnen und Kandidaten bevorzugen und versuchen, „Outsider“ zu verhindern.

70 Prozent sind gegen Biden als Kandidaten für 2024

Obwohl Biden derzeit von zwei Personen herausgefordert wird, hat das DNC bereits beschlossen, dass keine TV-Duelle stattfinden werden. Die Autorin, Unternehmerin und Aktivistin Marianne Williamson und Robert F. Kennedy, Autor, Rechtsanwalt und Impfgegner, treten gegen Biden an und obwohl ihre Chancen, ihn zu schlagen, äußerst gering sind, sollen sie nicht mit ihm im Fernsehen debattieren dürfen. Einer Umfrage von NBC News zufolge wollen 70 Prozent der Menschen in den USA Biden nicht als Kandidaten für 2024 – und das könnte ein Problem werden, wenn es um die Wahlbeteiligung bei der Präsidentschaftswahl geht.

Biden hat lange herumgedruckst und am 25. April schließlich offiziell gemacht, dass er 2024 erneut kandidieren will. Spätestens ab diesem Zeitpunkt galt es für Parteikolleginnen und -kollegen als unschicklich, gegen ihn anzutreten. Aus dem progressiven Lager im Kongress kommt keinerlei Kritik und der linke Senator Bernie Sanders sicherte Biden bereits einen Tag nach dessen Ankündigung einer erneuten Kandidatur seine volle Unterstützung zu – um damit alle Gerüchte, er könne mit einer Gegenkandidatur liebäugeln, im Keim zu ersticken. Bei den Demokraten kommt es der Majestätsbeleidigung gleich, sich einem amtierenden Präsidenten in einer Vorwahl in den Weg zu stellen. Also versammeln sie sich hinter ihrem Kandidaten – und sei er noch so alt und noch so unbeliebt.

Die No-Debate-Regel des DNC ist nicht die einzige Schutzmaßnahme zugunsten Bidens. Auf seinen Wunsch wurde auch die Reihenfolge der Vorwahlbundesstaaten geändert. Bisher wurde zuerst in Iowa und danach in New Hampshire gewählt, doch jetzt ist South Carolina der erste Bundesstaat, in dem die demokratische Wählerschaft abstimmen wird. Die offizielle Begründung lautet, man wolle der afroamerikanischen Bevölkerung in dem Südstaat eine wichtigere Rolle im Vorwahlprozess zuteilen. Doch tatsächlich geht es insbesondere darum, einem Bundesstaat den Vortritt zu lassen, in dem eher Establishment-Demokraten gewählt werden – solche wie Joe Biden. Auch 2020 war es South Carolina, der Bidens Vorwahlsiegesserie über Bernie Sanders einläutete. Selbst in einem Podcast der New York Times ist von der „leisen Krönung des Joe Biden“ die Rede.

Biden gewann 2020 nur sehr knapp gegen Trump

Trump hingegen kann sich auf den republikanischen Parteiapparat nicht verlassen, wohl aber auf seine kultartige Gefolg- beziehungsweise Wählerschaft. Nach den Midterm-Wahlen im November 2022, bei denen seine MAGA-Kandidatinnen und -Kandidaten größtenteils gescheitert sind, galt Trump als abgeschrieben. Der neue Star der rechtsextremen Partei war Ron DeSantis, Floridas Anti-Woke-Gouverneur. Doch wer dachte, das war’s jetzt mit Trump, sollte eines Besseren belehrt werden. Obwohl rechte US-Medien und wichtige rechte Großspender auf DeSantis hoffen, gelang Trump ein Comeback. Inzwischen führt der frühere Präsident die Vorwahlumfragen mit großem Abstand zum zweitplatzierten DeSantis an. Noch hat dieser seine Kandidatur nicht offiziell gemacht – und könnte sich eine mögliche Blamage gegen Trump ersparen.

Die radikalisierte Parteibasis will Trump, wie schon 2016 und 2020. Ihr ist egal, ob ihr Messias verurteilt wird, weil er die US-Journalistin E. Jean Carroll sexuell missbraucht hat, ob er gegebenenfalls in einem Strafprozess verurteilt wird und sogar, ob ihr Präsidentschaftskandidat Biden besiegen kann. Eine CNN-Umfrage von Mitte März ergab, dass 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler der Republikaner sowie Parteilose, die zu den Republikanern tendieren, eher für einen Kandidaten stimmen würden, der ihre Ansichten zu wichtigen Themen teilt, als für jemanden, der gute Chancen hat (41 Prozent), Biden zu schlagen. Trumps Auferstehung als politisches Himmelfahrtskommando? Das ist alles andere als sicher.

Treten – wonach es derzeit aussieht – 2024 erneut Biden und Trump gegeneinander an, wird sich zeigen, ob der Wahlausgang eher an 2016 oder an 2020 erinnern wird. Vor sieben Jahren gelang Trump für viele völlig unerwartet der Sieg gegen Hillary Clinton, 2020 konnte Biden sich gegen Trump durchsetzen – allerdings nur sehr knapp. Damals holte Biden in sechs wahlentscheidenden Swing States bei landesweit über 159 Millionen abgegebenen Stimmen insgesamt nur 44.000 Stimmen mehr als Trump. Und wer glaubt, nur weil Trump-Schützlinge bei den Midterms 2022 reihenweise durchgefallen sind, ist die MAGA-Gefahr bis auf Weiteres gebannt, verkennt wichtige Parameter.

US-Wählerschaft hält Trump für fitter als Biden

Kürzlich sorgte eine Umfrage der Washington Post und ABC News für Aufsehen, in der herauskam, dass Biden „bei den Demokraten weniger Unterstützung für eine erneute Nominierung als Trump, Obama und Clinton von ihren Parteien“ habe. Nur 38 Prozent der demokratischen Wählerschaft will, dass Biden 2024 ihr Präsidentschaftskandidat ist, 57 Prozent wünschen sich jemand anderen. Einer Umfrage von CNN zufolge sind nur ein Drittel der Menschen in den USA der Meinung, Biden habe es verdient, wiedergewählt zu werden. Trump hatte zu diesem Zeitpunkt seiner Amtszeit bessere Werte zu verzeichnen.

Zwei Drittel der Befragten in der Washington Post/ABC News-Umfrage halten Biden für zu alt für eine zweite Amtszeit. Anfang 2029 wäre der älteste Präsident der USA 86 Jahre alt und Bidens Alter machte sich bereits im Präsidentschaftswahlkampf 2019/2020 durch kleinere Aussetzer bei Auftritten bemerkbar. Öffentliche Veranstaltungen mit Biden finden weit überwiegend wochentags zwischen 10 und 16 Uhr statt. Es ist kaum vorstellbar, wie Biden so einen erfolgreichen Wahlkampf mit zahlreichen Terminen von früh bis spät über mehrere Monate bestreiten will.

Obwohl auch Trump sich nicht immer als mental fit präsentiert hat, halten ihn doch über die Hälfte für psychisch fitter als Biden (32 Prozent). Die ausreichende körperliche Verfassung für die Präsidentschaft schreiben 64 Prozent Trump zu und nur 33 Prozent Biden. Diese Zahlen aus der Washington Post/ABC News-Umfrage sind nicht die einzig alarmierenden: Für Trump würden derzeit 45 Prozent stimmen, für Biden nur 38 Prozent, wobei 18 Prozent unentschlossen sind oder keinen der beiden wählen würden. Noch ist die Wahl eineinhalb Jahre hin, aber es ist nicht gesagt, dass Biden im November 2024 deutlich besser dastehen wird.

Biden erhält schlechte Bewertung für Wirtschaftspolitik

Einer der wichtigsten Motivatoren der Wählerinnen und Wähler, die bei den Midterms für die Demokraten gestimmt haben, war das vom Supreme Court kassierte Recht auf Abtreibung. Das Urteil erschütterte die USA wenige Monate vor der Wahl und hatte dadurch starken Einfluss. In seiner Schönrede zur Lage der Nation ist Biden kaum auf das Abtreibungsrecht eingegangen, es ist bei den Demokraten im Kongress inzwischen zum bloßen Lippenbekenntnis verkommen, mit dem sie Wählermobilisierung betreiben – keine gute Voraussetzung für den kommenden Wahlkampf.

Die Hilfen aus Bidens Corona-Hilfspaket aus dem Frühjahr 2021 sind inzwischen ausgelaufen, das temporär ausgezahlte Kindergeld erhalten die Menschen nicht mehr und nach einer Schätzung des US-Gesundheitsministeriums könnten bis zu 15 Millionen arme Amerikanerinnen und Amerikaner ihre staatliche Krankenversicherung verlieren. Laut der Umfrage der Washington Post und ABC News sind 54 Prozent der Befragten der Ansicht, Trump hätte in puncto Wirtschaft eine bessere Leistung abgeliefert als Biden, den nur 36 Prozent als stärker auf diesem Gebiet ansehen.

Ein weiterer Faktor, der nicht zu unterschätzen ist, ist die Verteilung der medialen Aufmerksamkeit im Vorwahlkampf beider Parteien. Bei den Republikanern geht es dreckig zu, wofür maßgeblich natürlich Trump sorgt. Bei den Demokraten passiert bisher nichts und die Spannung bei Biden-Wahlkampfauftritten dürfte vor allem darin bestehen, ob er es schafft, seine Rede fehlerfrei vom Teleprompter abzulesen und anschließend den Bühnenausgang zu finden. Der Fokus der Medien wird sicherlich wieder bei Trump und seien Ausfälligkeiten liegen – so wie 2016, als er gegen Clinton gewann.

Was könnte die Demokratische Partei tun, um das Ruder herumzureißen und nicht nur darauf zu hoffen, dass die Wählerschaft sich erneut aufrafft, um Trump zu verhindern? Sie sollte auf Biden einwirken, dass dieser weitere Kandidatinnen und Kandidaten einlädt, mit ihm einen fairen und lebendigen Vorwahlprozess zu bestreiten, bei dem der oder die Beste gewinnen möge. 2020 sprach Biden pathetisch immerzu von dem „Kampf um die Seele der Nation“. Wenn es ihm damit tatsächlich ernst ist, sollte er zunächst eine Vorwahl zulassen, bei der die Person bestimmt wird, die die Basis will – ganz demokratisch. (Johanna Soll)

Auch interessant

Kommentare