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Scheitert einer, scheitern beide

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Von: Manfred Niekisch

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Ein Feldhamster.
Ein Feldhamster. © Renate Hoyer

Der Schutz des Klimas und der Artenschutz sind eins. Das zeigt die Preisverleihung der Bundesstiftung Umwelt. Die Konferenz zum Artenschutz weckt dagegen Skepsis. Die Kolumne.

Gleich zweimal wurden sie ausgerottet, die Spitzmaulnashörner im Gonarezhouh-Nationalpark von Simbabwe. Vor rund 80 Jahren fiel dort das letzte dieser Schwergewichte Gewehrkugeln zum Opfer. Später siedelte man wieder Tiere an. Die Population erholte sich auf stolze 140 Individuen. Doch auch die hatten in den 80er Jahren keine Chance gegen die Wilderer. Über Jahrzehnte gab es dort dann keine Nashörner mehr.

Inzwischen aber sorgte die Zoologische Gesellschaft Frankfurt für einen effizienten Schutz des Nationalparks und siehe da, die neueste Wiederansiedlung mit 29 Tieren hatte Erfolg, und vor kurzem wurde sogar wieder ein Nashornkalb geboren. Sicher ein Grund zum Feiern, denn das Management des Nationalparks funktioniert. Geht doch!

Das allerdings kann man nur von den wenigsten Schutzgebieten der Erde behaupten. Die meisten leiden unter erheblichem Mangel an Geld, Personal, Ausbildung. Sie können ihre Aufgaben nicht wahrnehmen.

30 Prozent der Fläche der Erde sollen jetzt unter Schutz gestellt werden, und zwar bis 2030, also in weniger als einem Jahrzehnt. Das verkündete gerade die globale Artenschutzkonferenz in Kunming/China. Da kommt leider kaum Freude auf, sondern größte Skepsis.

Hat man denn schon vergessen, dass bei der Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro beschlossen worden war, ein weltweites Schutzgebietssystem einzurichten? Es dauerte ein ganzes Dutzend Jahre, nämlich bis 2004, bis sich die Staaten der Welt auch nur auf einen Arbeitsplan dazu geeinigt hatten. Viel mehr passiert ist seitdem nicht. Vom einstigen Ziel ist man weit entfernt, von diesem neuen sowieso.

Ähnlich erging es den 20 Aichi-Zielen zum Schutz der biologischen Vielfalt aus dem Jahr 2010. So vieles sollte erreicht werden bis 2020 oder schon 2015. Bei 14 von ihnen geschah jedoch nichts, bei den übrigen sechs so wenig, dass von Erfolg nur mit Mühe gesprochen werden kann. Man möchte der japanischen Präfektur Aichi, deren Namen die Ziele tragen, weil die Staaten der Welt sie dort verabschiedeten, anraten, die Weltgemeinschaft wegen Rufschädigung anzuzeigen.

Nun wird es eng für das Wohlergehen der Menschheit, wenn die katastrophale Entwicklung bei Klima und Artenvielfalt weiter nur wohlklingende Ankündigungen, illusionäre Ziele und unzureichende Politiken entgegengesetzt werden. Zudem drängt sich die Frage auf, wie wir mit den 70 Prozent der Erdoberfläche umgehen in dem angepeilten, aber eher hypothetischen Fall, dass 30 Prozent geschützt sind.

Da ist es ein Lichtblick, dass die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ihren diesjährigen Preis vergeben hat an die Ökologin Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt, und an den Moorforscher Hans Joosten von der Universität Greifswald.

Wie die frischgebackenen Nobelpreisträger verschaffen sie dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen die wissenschaftliche Basis und eine prominente Stimme. Und sie zeigen Lösungswege auf, die jetzt in Kunming und bei der Klimakonferenz im November politisch umgesetzt werden müssen. Der Schutz der biologischen Vielfalt und die Bekämpfung der Erderwärmung müssen Hand in Hand gehen. Scheitert einer, scheitern beide. Die Zeit drängt, und das nicht nur, weil das Nashornkalb in Gonarezhouh die Erfolge doch noch erleben sollte.

Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor.

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