Sahra Wagenknecht über „Die Selbstgerechten“ bei Markus Lanz – Links ist was anderes

Sahra Wagenknecht spielt prekär Beschäftigte gegen Geflüchtete aus. In ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ diskreditiert sie den emanzipatorischen Kampf gesellschaftlicher Minderheiten. Die Kolumne.
Sie hat es wieder getan. Eigentlich hätte Sahra Wagenknecht bei Markus Lanz einfach nur ihr neues Buch promoten können, doch wenn man schon solch eine Öffentlichkeit hat, schadet es nicht, das eigentliche Lieblingsthema gleich mit unters Volk zu mogeln. Die „unkontrollierte Zuwanderung“, beziehungsweise die Begrenzung derselben nebenbei in den Monolog gestreut, wird seine Wirkung schon nicht verfehlen.
„Zuwanderung“, insbesondere die „unkontrollierte“, ist allerdings ziemlich 2015, aber Wagenknecht setzt sich regelmäßig in die Zeitmaschine, um prekär Beschäftigte gegen Geflüchtete auszuspielen. Um nur ein weiteres Beispiel zu nennen: Bereits 2018 hatte die Linken-Politikerin die Begrenzung der Arbeitsmigration angemahnt, da „die Menschen“ vor der „Dumpingkonkurrenz“ zu „schützen“ seien.
Sahra Wagenknecht ist auf der Linie der AfD
Es ist immer das gleiche Framing: Der Feind scheint von außen ins Land zu dringen, wobei dem nur mit besonderen Maßnahmen beizukommen sei. Dabei liegt die Verantwortung für Dumpinglöhne natürlich nicht bei den Migrantinnen und Migranten, vielmehr wird der Zugang zum Arbeitsmarkt meist nur dann möglich, wenn es die Wirtschaft explizit darauf anlegt.
Wagenknecht dürfte das wissen, ebenso wie sie weiß, dass die Grenze ziemlich dicht und „unkontrollierte Zuwanderung“ kein Thema ist. Entsprechend konstruiert sie ein nicht vorhandenes Problem, um sich als Problemlöserin in Stellung zu bringen. Damit ist sie ganz auf Linie der AfD, die macht es nicht viel anders.
Sahra Wagenknecht rechnet in ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ mit „Lifestyle-Linken“ ab
Womit wir bei ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ wären, in dem sie mit „Lifestyle-Linken“ abrechnet – eben weil die es sind, die ihr Framing regelmäßig kritisieren. Aber wenn Kritiker:innen an einen affektierten Lifestyle gekoppelt werden, rollt es der Arbeiterin die Fußnägel hoch. Den muss man sich nämlich leisten können, analog zu irgendwelchen „Marotten“, womit Wagenknecht wohl „Identitätspolitik“ meint. Aktuell scheint es total in zu sein, den emanzipatorischen Kampf gesellschaftlicher Minderheiten zu diskreditieren.
Identitätspolitik laufe, Buch-Zitat, „darauf hinaus, das Augenmerk auf immer kleinere und immer skurrilere Minderheiten zu richten, die ihre Identität jeweils in irgendeiner Marotte finden, durch die sie sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden …“ Mit sozioökonomischen Merkmalen hätten die nichts zu tun. Eher sei, wie Wagenknecht bei Lanz ergänzt, ein Niedriglohnsektor für dieses „Milieu“ gar nicht so schlecht. Säßen die doch in ihren großstädtischen Altbauwohnungen mit „ihren Haushaltshilfen“. Da gäbe es „tatsächlich Interessenunterschiede“.
Sahra Wagenknechts Buch „Die Selbstgerechten“: Ihr Glashaus hat dünne Scheiben
Wow, es sind also diese verfluchten Minderheiten, die auf Kosten ihrer Haushaltshilfen abgedrehte Gender-Debatten führen und der alleine erziehenden Kellnerin, die den ganzen Wums steuerlich mitfinanziert, nur mittelmäßiges Trinkgeld geben.
Mal ganz abgesehen davon, dass das Glashaus, in dem Wagenknecht im Saarländischen sitzt, ganz dünne Scheiben hat: Selten hat eine „linke“ Politikerin mit so viel Feindbildaufbau gearbeitet. Identität von Minderheiten wird hier mal fix zum privilegierten Lifestyle, und dies nur, um zum (deutschen) Prekariat einen Gegensatz zu konstruieren, als gäbe es keine Überschneidungen.
Linke Politik sei insbesondere für diejenigen, „die wenig Chancen haben“. Klar, nur meint sie eben nicht alle, sondern nur die, die sie als ihre potenziellen Neu-Wähler:innen klassifiziert, und die wählen aktuell entweder gar nicht oder die AfD. Insofern ist ihr Coup nachvollziehbar. Links ist er aber nicht. (Katja Thorwarth)