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Russland, Deutschland und die Medien: Ein Hetzer weniger

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Von: Klaus Staeck

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„Russia Today“-Büro in Moskau: Vielleicht ist doch einigen Leuten in der russischen Zentrale und in der Berlin-Adlershofer Redaktion aufgefallen, dass der Anspruch, eine seriöse Sendeanstalt zu sein, mit den veröffentlichten Selbstdarstellungen ihrer Rezipienten und Kommentarschreiber in deutlichem Widerspruch steht.
„Russia Today“-Büro in Moskau: Vielleicht ist doch einigen Leuten in der russischen Zentrale und in der Berlin-Adlershofer Redaktion aufgefallen, dass der Anspruch, eine seriöse Sendeanstalt zu sein, mit den veröffentlichten Selbstdarstellungen ihrer Rezipienten und Kommentarschreiber in deutlichem Widerspruch steht. © Pavel Golovkin/dpa (Archiv)

Wie der russische Sender RT.DE seine Abneigung gegen Hass und Hetze entdeckt hat. Die Kolumne.

Frankfurt - Als ich an dieser Stelle vor einem Monat über einen Hetzer mit Tötungsfantasien schrieb, der die Kommentarfunktion des russischen Propagandasenders RT.DE als Medium nutzte, ahnte ich nicht, dass er bereits einen Tag nach Veröffentlichung der Kolumne abgeschaltet sein würde. „Gopfrid Stutz“, wie sich der – nach eigenen Angaben – promovierte Jurist aus Baden-Württemberg nannte, hatte es selbst für das Internet, das so gut wie jeden Unflat zu vertragen scheint, übertrieben und überreizt.

Mitten hinein in die endlich anwachsende öffentliche Erregung über den verbalen Hass im Netz könnte die Kolumne der Frankfurter Rundschau tatsächlich etwas bewegt haben, das kaum noch zu beeinflussen schien. Jedenfalls sperrte das in San Francisco ansässige Portal DISQUS Gopfrid Stutz den Zugang, nahm ihm sozusagen den Griffel aus der Hand und verbannte ihn aus der Gemeinde der RT-Foristen. Durchaus möglich, dass die Beleidigungen und Mordaufrufe gegen namentlich genannte deutsche Politiker für den Hetzer, dessen Identität längst bekannt ist, noch ein juristisches Nachspiel haben.

Russischer Sender RT.DE reagiert auf seinen Internetseiten

Am Tag darauf konnte sich die Lesergemeinde der Internetseiten von RT.DE über einen redaktionellen Eintrag wundern, der seitdem jedem Beitrag nachgestellt ist: Zwar schätze man die Möglichkeit sehr, eine Plattform zum gegenseitigen Austausch bieten zu können, doch müsse man die Kommentarfunktion „vorübergehend einschränken, bis effektive Mittel und Wege gefunden sind, dass dieses Kommunikationsmittel nicht missbraucht wird“. Hass, Hetze und Beleidigung wolle man künftig konsequent ausschließen.

So viel Einsicht, dass nach jahrelangem Betreiben einer Sickergrube die Luft stinkt, war kaum zu erwarten. Vielleicht ist doch einigen Leuten in der Moskauer Zentrale und in der Berlin-Adlershofer Redaktion aufgefallen, dass der Anspruch, eine seriöse Sendeanstalt zu sein, mit den veröffentlichten Selbstdarstellungen ihrer Rezipienten und Kommentarschreiber in deutlichem Widerspruch steht.

Aus für RT in Deutschland, Aus für Deutsche Welle in Russland

Was inzwischen geschehen ist, hat in der Medienlandschaft für einige Aufregung gesorgt. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg untersagte RT, sein deutschsprachiges Fernsehprogramm linear auszustrahlen, weil in der Bundesrepublik nie eine deutsche Sendelizenz beantragt worden war. Eine von Serbien erteilte Satelliten-Lizenz wurde für ungültig erklärt. Aus Moskau kam die Gegenredaktion, das dortige Büro der Deutschen Welle zu schließen und den Redakteurinnen und Redakteuren die Akkreditierung zu entziehen.

Eine Gleichsetzung von DW und RT ist zwar absurd – hier ein Sender, dessen Tätigkeit von öffentlich-rechtlichen Kontrollgremien begleitet wird, dort ein Organ staatlich finanzierter Auslandspropaganda, das gelegentlich durchaus Aufgaben einer hybriden Kriegsführung erfüllt –, aber in der gegenwärtig überhitzten politischen Situation kann jede Überreaktion zum Verhängnis werden.

RT.DE: Programm ist über Internet zugänglich

Nun hat die Berliner RT.DE Productions GmbH vor dem Verwaltungsgericht Berlin einen „Antrag auf Aufhebung des Sendeverbots“ gestellt. Die Begründung wirkt nicht sehr überzeugend, meint man doch, eine Sendelizenz sei gar nicht nötig, da in Berlin ja „nur“ das Programm produziert werde – ausstrahlen würde es TV-Novosti in Moskau.

Da jedoch kein RT-Zuschauer seinen Fernseher einschalten muss, weil das Programm ohnehin über Internet zugänglich ist und selbst die Impfgegner-Demos aus deutschen wie aus holländischen Städten stundenlang live übertragen werden, kann die Moskauer Zentrale einem Gerichtsurteil entspannt entgegensehen. (Klaus Staeck)

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