Einfach nur gaga: Döpfners Ausspeiungen gehen uns alle an

Der Fall Döpfner zeigt, dass man bei den Reichen und Mächtigen genau hinsehen muss - auch wenn man es abstoßend findet. Die Kolumne.
Frankfurt - Eigentlich geht uns das nichts an. So wie so vieles. Doch es ist, wie zu einem Unfall zu kommen. Dieser Reflex. Dieser Moment, in dem wir genau wissen, das, was wir gleich tun werden, ist das Falscheste, was wir gleich tun werden können. Und dennoch tun wir es. Wir sehen hin. Sehen ganz genau hin. Denn wenn wir schon hinsehen, dann auch richtig.
Das schlechte Gewissen haben wir ja nun schon. Dieses wurmende Gefühl in der Magengegend, dieses Spüren, uns selbst zu verabscheuen. Doch nun ist es ja passiert. Nun ist es grad egal. Also können wir auch wieder hinsehen.
Man kann das natürlich nicht vergleichen. Es geht hier nicht um Blut, nicht um einen zerfetzten Körper. Es ist nur mal wieder eines jener Ereignisse, die sich in letzter Zeit so bestürzend häufen. Vorfälle, die wir noch vor kurzem nie für möglich gehalten hätten. Ein alles zum Erliegen bringendes Virus und ein Krieg in Europa sind nur die Spitze einer ganzen Reihe von Absonderlichkeiten, die nicht wenige zu der Behauptung veranlassen, die Welt sei aus den Fugen geraten.
Döpfners hingekotzte Kommunikationsbrocken
Ein Beispiel dafür ist der Vorfall Mathias Döpfner. Die Zeit veröffentlichte über zwei Seiten schriftlich Geäußertes eines der angesehensten Menschen der halben Welt. Vorstandsvorsitzender des Springer-Imperiums, milliardenschwer, einflussreich, eloquent, kultiviert, von Macht überschüttet. Was aber dann von ihm zu lesen war, ist mit „Inhalt“ nur unzureichend umschrieben.
Es sind hingekotzte Kommunikationsbrocken, so armselig, dass man nicht weiterlesen will, sich dann aber doch davon angezogen fühlt. Tut man es, befürchtet man schnell, dass es noch schlimmer kommt – und das Schlimme ist, es kommt noch schlimmer.
Die Journaille war so fassungslos, dass selbst die sonst so beliebte Häme nur schwerfällig aufkam. So scheiterte auch der Versuch des Spiegels, Döpfner ein „Spatzenhirn“ zu attestieren, schon im Ansatz. Hübsch, aber kläglich, weil falsch. Aber was spielt sich ab in diesem Manne?
Die Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen, hieß es am Anfang. Das ist natürlich Quatsch. So etwas kann man gar nicht aus einem Zusammenhang reißen. Oder wie soll denn ein Kontext aussehen, dem man „fuck the intolerant muslims und all das andere gesochs“ entnimmt?
Oder „Friedensnobelpreis für Trump. Und ibama wieder wegnehmen“. Oder „Corona ist eine Grippe. Gefährlich für alte und kranke“. Oder über die Corona-Maßnahmen: „Das ist das Ende der Marktwirtschaft. Und der Anfang von 33“, womit er wohl Hitlers Machtergreifung meinte. Und schließlich der Gipfel der Tiraden, eine Pauschalbeleidigung der „Ossis“.
Döpfners Ausspeiungen sind einfach nur gaga
Das Verstörende daran: Döpfners Ausspeiungen sind weder faschistoid noch verschwörungsschwurblerisch, nicht reaktionär noch rassistisch – sondern einfach nur gaga. Dazu passen auch die ungeheuren Mengen an Schreibfehlern, die man keiner Systematik wie etwa der gemäßigten Kleinschreibung zuordnen kann.
Man fragt sich, wie so etwas einem Mann des Wortes überhaupt aus der Feder fließen kann. Noch verstörender: Döpfner hat nicht dementiert, sondern sich entschuldigt. Es ist also wahr, was da so unwahr erscheinend daherkommt. Man wird also weiterhin genau hinsehen müssen. Womöglich nicht nur bei Döpfner. Es geht uns also doch etwas an. (Michael Herl)