1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kolumnen

Kies, Kohle und die Logik

Erstellt:

Von: Manfred Niekisch

Kommentare

Kohleabbau bei Lützerath.
Kohleabbau bei Lützerath. © dpa

Heibo und Lützi stehen als Kosenamen für handfeste Widersprüchlichkeiten zur offiziellen Umwelt- und Klimapolitik. Alles legal, sagen selbst die Grünen. Die Kolumne.

Es klingt einfach viel niedlicher, von Lützi zu sprechen als von Lützerath, und auch Heibo geht deutlich leichter von den Lippen als Heidebogen. In diesen Kosenamen schwingen Emotionen mit und es ist ganz in Ordnung, dass die Proteste gegen diese Tagebau-Vorhaben für viele eine Herzensangelegenheit sind. Das Entscheidende ist aber, dass der Widerstand nicht nur gefühlsgesteuert ist, sondern einen handfesten sachlichen Hintergrund hat.

In einem Fall geht es darum, dass ein Dorf abgerissen wird, um Braunkohle zu fördern, die wir nicht mehr wollen, weil sie überhaupt nicht in den dringend notwendigen und beschlossenen Kohleausstieg passt. Im zweiten Fall soll Kies abgebaut werden. Dazu wird der darüberstehende Wald gefällt und es droht unausweichlich eine massive Veränderung des Wasserhaushaltes im Boden, was wiederum das Ende der dortigen Moore bedeuten würde. Das wäre fatal für deren seltene Tiere und Pflanzen, ein Schlag ins Gesicht der vor einem halben Jahr beschlossenen Nationalen Moorschutzstrategie und ebenfalls höchst kontraproduktiv für den Klimaschutz. Kein Wunder also, dass sich in beiden Fällen Protest regt, aus ganz vernünftigen Gründen.

Juristisch ist die Lage eindeutig, und darauf zieht sich selbst die einstmals konsequente Umweltpartei der Grünen ganz komfortabel zurück. Die Abbaugenehmigungen sind erteilt, der Abbau ist legal. So gibt es offenbar keinerlei rechtliche Mittel, sie anzufechten oder behördlicherseits zu widerrufen, auch wenn Klima-, Moor- und Biodiversitätsschutz zum Genehmigungszeitpunkt bei weitem nicht die Rolle spielten wie heute und der Handlungsdruck zum Schutz dieser Güter nicht als so dringend erkennbar war.

Manfred Niekisch
Manfred Niekisch. © Michael Schick

Andererseits besteht für die involvierten Industrieunternehmen, den Energieriesen RWE und das Kieswerk Ottendorf-Okrilla & Co. (KBO) ja trotz der bestehenden Genehmigungen keinerlei Zwang, davon Gebrauch zu machen. Sie dürfen, müssen aber nicht.

Zur Person

Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor

Es geht aber nicht ums Rechthaben, sondern es geht um Kies und Kohle, im mineralischen Sinne und im übertragenen. Es geht beiden Unternehmen ums Geld. Dass dabei die Logik der Vernunft auf der Strecke bleibt, ist wohl normal.

Wieder einmal unterliegen die politisch ständig zitierten Güter, deren Erhaltung uns heute als absolut prioritär, dringend notwendig, unverzichtbar gilt. Sprechen wir es ruhig aus: alternativlos. Wann soll mit all den Strategien und Maßnahmen für Klima und Umwelt Ernst gemacht werden?

Man ahnt schon, dass Baumaterial für neue Autobahnen weiter gebraucht wird, wenn die Pläne von Bundesverkehrsminister Volker Wissing nicht doch noch von logisch denkenden Politikerinnen und Politikern zu Fall gebracht werden. Viel Baumaterial braucht es auch für die Schaffung von 400 000 neuen Wohnungen jedes Jahr, welche die Ampelkoalition versprochen hat. Man darf gespannt sein, wie das zusammengehen soll mit dem politisch angeblich hochrangigen Uralt-Ziel, den Flächenfraß zu reduzieren.

Da passt es wunderbar ins Bild von Widersprüchlichkeit und fehlender Logik, dass die Kiesabbauflächen im Heidebogen später mit Bauschutt verfüllt werden sollen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und man spart sich gleichzeitig auch noch das Kopfzerbrechen, was vom Bauschutt vielleicht recycelt werden könnte, statt die Umwelt auch noch damit zu belasten.

Auch interessant

Kommentare