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Im Wes(t)en nichts Neues

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Von: Manfred Niekisch

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Es gibt nichts Neues am Wesen des Krieges: Menschen leiden, sterben, töten. Szene aus dem Film „Im Westen nichts Neues“.
Es gibt nichts Neues am Wesen des Krieges: Menschen leiden, sterben, töten. Szene aus dem Film „Im Westen nichts Neues“. © Netflix/dpa

Die Formen des Krieges haben sich geändert, aber die brutale Aggression ist die gleiche geblieben. Erst im Frieden werden aus Plätzen zur Truppenübung Erholungsgebiete.

Da kommt ein neuer Film in die Kinos, der eigentlich vor mehr als einhundert Jahren spielt. Grausam, menschenverachtend, eine Schlammschlacht mit Todesfolge für Massen von einst begeistert in den Krieg ziehenden jungen Männern. Obwohl er längst abgedreht war, als Putin die Ukraine überfiel, wird nun überall davon gesprochen, dass der Film in die Aktualität passt, wegen eben jenem grausamen Krieg an der Ostflanke der Nato.

Am Wesen des Krieges hat sich nichts geändert

Schützengräben, Gasmasken, Gewehre, Panzer, Stacheldrahtverhaue, die Requisiten des Krieges sehen heute teilweise etwas anders aus, aber am Wesen des Krieges hat sich nichts geändert. Brutale, waffenstrotzende Aggression versus Verteidigung, beides mit tödlichen Folgen.

Es gibt nichts Neues im Wesen des Krieges, nur einige moderne Erscheinungsformen sind anders. Der Horror für die eingezogenen Soldaten, ihr Blutzoll, der Schrecken, die Opfer und die Trauer der zivilen Bevölkerung sind durchgängig. Der Bombenterror fand erst ab dem Zweiten Weltkrieg statt und verwüstet heute große Teile der Ukraine, terrorisiert die zivile Bevölkerung.

Es war wohl auch die Verwandtschaft mit der Aktualität, welche dem Film zu einer Rekordzahl an Oscars verhalf. Die Freude aller am Film Beteiligten über die begehrten Auszeichnungen war verständlicherweise groß, gendergerechte Sprache fast überflüssig, da Frauen in diesem Zusammenhang keine Rolle spielten.

Doch halt, mit einer Ausnahme. Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, ließ es sich nicht nehmen, zur Festveranstaltung nach Hollywood zu reisen, denn wann kommt man schon einmal dienstlich zu einem solchen Glamourereignis. Warum eigentlich, denn mit der Entstehung, Finanzierung, sonstiger Förderung des Films hatte sie rein gar nichts zu tun? Aber auch das ist im Wesen nichts Neues, dass man sich bei mancher Politiker:innenreise fragen muss, was eine solche auf Staatskosten soll.

Die Botschaft „Nie wieder Krieg“ geht an Putin offenbar wirkungslos vorbei

Man kann nur hoffen, dass das Werk seinem Anspruch gerecht wird, ein Antikriegsfilm zu sein. Oder geht es unter in der Welt aller Gewalt verherrlichenden, gewalttätigen Action-Machwerke und Videospiele, die Brutalität zur Normalität werden lassen? Schon die ersten beiden Verfilmungen des Romans von Erich Maria Remarques zeigten plastisch, wie auch viele andere Filme über die Kriege in Korea und Vietnam und den Zweiten Weltkrieg die Gräuel von Kriegen. Die Botschaft „Nie wieder Krieg“ geht offenbar wirkungslos vorbei an den kriegstreibenden Putins dieser Welt und ihrer Anhängerschaft.

Immerhin wurden in Deutschland vor und besonders nach der Wiedervereinigung zahlreiche Truppenübungsplätze aufgegeben, dort wo vor dem Krieg gespielt und geübt worden war, im Osten wie im Westen unserer Republik. Dort entstand und entsteht heute Wildnis, die sonst so selten geworden ist.

Sie dient auch als Erholungsgebiet für die Bevölkerung, zumindest auf munitionsbereinigten Wanderwegen. Es liegt wohl im Wesen unserer Gesellschaft, dass solche Freiräume der Natur, möglich geworden durch das Ende des Kalten Krieges und den Übergang in den Frieden, bei manchen immer noch auf Ablehnung stoßen. Auch das ist nichts Neues.

Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor

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