Im Namen des Batteriebetriebs

Lithium ist unverzichtbar geworden. Doch die Förderung ist problematisch und in den Anden regt sich Widerstand., schreibt der Biologe Manfred Niekisch.
Der Name sollte auf seine Herkunft hinweisen, natürlich hochgelehrt in altgriechischer Form. So kam Lithium, da es aus Gestein gewonnen wurde, zu seinem Namen. Abgeleitet vom griechischen Wort für Stein, lithos.
Nachdem Laptops und Handys die Nachfrage schon haben explodieren lassen, schob der Boom bei den Elektroautos und Elektrorädern die Nachfrage in schwindelnde Höhen. Beziehungsweise, geologisch gesehen, auch in deutsche Tiefen. Der Oberrheingraben und das Erzgebirge erweisen sich als heimische Lagerstätten.
Aber sicherheitshalber streckt man doch besser einmal die Fühler aus dahin, wo die ganz großen Vorkommen des für unseren batteriebetriebenen Wohlstand und Fortschritt unverzichtbar gewordenen Metalls liegen, ins Länderdreieck von Bolivien, Argentinien und Chile. Bolivien will seinen eigenen Weg gehen, die Förderung zur Staatssache machen und die Weiterverarbeitung im Land behalten mit dem Ziel, einen nennenswerten Teil der Wertschöpfungskette im plurinationalen Staat zu belassen.
In Argentinien und Chile hingegen bietet sich der Privatwirtschaft ein weites Feld der Betätigung. Das interessiert die deutsche Bundesregierung so sehr, dass sie ihre Klimabeauftragte Jennifer Morgan im November des vergangenen Jahres nach Südamerika schickte, um in Argentinien und Chile das deutsche Interesse an Bodenschätzen zu signalisieren. Und jetzt fuhr ihr oberster Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz selbst hinterher, zu den Staatspräsidenten Fernandez und Boric, um die neue Freundschaft zu besiegeln. Wir könnten, wollten, sollten doch daran mitwirken, dass deutsches Knowhow eingesetzt wird, um die Lithiumproduktion möglichst umweltfreundlich zu gestalten – und mit solchen Kooperationen gleichzeitig die Unabhängigkeit von Ländern wie China auszubauen und uns Bezugsquellen zu sichern.
Was sich an Protesten gegen den Abbau von Lithium in Serbien und Spanien formiert hat, sollte da oben, hoch in den Anden, vermieden werden. Schon jetzt regt sich aber dort der Widerstand. Argentinische Bauerngemeinden sorgen sich in diesen sehr trockenen Gegenden darum, dass ihnen die ohnehin kärgliche Landwirtschaft, ja ihre gesamte Existenz unmöglich gemacht wird. Unterstützung erhalten sie von Völkerrechtlern und Naturschutzgruppen unter anderem aus der fernen Hauptstadt Buenos Aires auch aus der Sorge, dass die empfindlichen andinen Ökosysteme dem Ressourcenhunger zum Opfer fallen.
Hier soll das Lithium entgegen seinem Namen nicht aus dem Gestein herausgeklopft werden. Unter Einsatz von riesigen Mengen Süßwasser wird hochgepumptes salzhaltiges Grundwasser an der Sonne verdampft und dann das Lithium extrahiert. Unerwünschte, aber wissentlich in Kauf genommene Kollateralschäden sind unter anderem eine hohe Belastung der Umgebung mit giftigem Staub und das Absinken des Grundwasserspiegels. Es verdursten die Landschaften und das Leben.
Das stünde freilich in krassem Widerspruch zu unseren Zielen bei Klima- und Umweltschutz, zu deren Erreichung wir das Lithium brauchen. Es wäre jedoch nicht das erste Mal, dass Umweltschäden auf andere Länder abgewälzt werden, um unsere eigene Umwelt sauber zu halten. Diesmal aber bitte nicht!
Derweil radeln wir fröhlich batteriebetrieben bergauf, basteln munter an der elektrischen Verkehrswende, daddeln auf unseren Smartphones. Akkus sind – zusammen mit ihren Ladekabeln – längst zu Grundbedürfnissen unseres Lebens geworden.
Manfred Niekisch ist Biologe
und ehemaliger Zoodirektor.