Was hat er in den letzten Wochen dazu nicht alles von sich gegeben: Hubert Aiwanger.
+
Was hat er in den letzten Wochen dazu nicht alles von sich gegeben: Hubert Aiwanger.

Kolumne

Gräuelmärchen von Bär und Wolf

  • Manfred Niekisch
    VonManfred Niekisch
    schließen

Der bayerische Minister Aiwanger torpediert mit Fäkalsprache und Unsinn die Diskussion um Konflikte mit wiederkehrenden Beutegreifern. Die Kolumne.

Da spricht ein Experte klare Worte. Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, immerhin stellvertretender Ministerpräsident und Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie im Freistaat Bayern, macht aus seiner Meinung keinen Hehl, schon gar nicht beim Thema Bär und Wolf.

Was hat er in den letzten Wochen dazu nicht alles von sich gegeben. Und sich wirklich als Fachmann geoutet. Leider nicht als Experte für die beiden Wildtiere, sondern für Demagogie und Polemik. Drastisch rief er dazu auf, „wir dürfen uns nicht auf den Kopf scheißen lassen“ und „wir müssen uns wehren“.

Ob Fäkalsprache das richtige Mittel ist, um mit den gegenläufigen Sorgen von Teilen der Landbevölkerung einerseits und Organisationen des Naturschutzes andererseits umzugehen, kann man vielleicht als Stilfrage abtun. Mit dem Heraufbeschwören von Feindbildern torpediert er, der doch wie ein faktenorientierter Politiker agieren sollte, jedenfalls die notwendige sachliche Diskussion.

Wer einer anderen als seiner Meinung ist, muss schon mal heftige Beleidigungen über sich ergehen lassen. Die Gerichte, so Aiwanger in platter Verallgemeinerung, seien verrückt, weil sie den Abschuss der Bärin, die einen Jogger tötete, verboten haben. Und die von ihm plakativ behauptete Gefahr, dass die vielen Bären noch mehr Menschen fressen, zeugt von völliger Unkenntnis so ziemlich aller Aspekte der Biologie und Ökologie von Meister Petz.

Den Unsinn, den dieser auch für Tourismus zuständige Minister von sich gibt, lässt sich Zeile für Zeile und Wort für Wort entlarven. Es ist zudem von Übel, dass der Niederbayer sich nicht auf seinen geografischen Zuständigkeitsbereich beschränkt, sondern nun auch noch schwadroniert über die Gefahren in Niedersachsen für den Deichbau, weil der Wolf dort die Schafe reißen kann, welche zur Beweidung und damit zur Pflege dieser Bauwerke gegen die Fluten eigesetzt werden.

Man kann diesen angerissenen (!) Gedanken wunderbar weiterspinnen, dann wird der Wolf schnell auch noch zum Verursacher von Überflutungen. Da ist es doch erstaunlich, dass man wieder einmal vom globalen Süden, von den sogenannten Entwicklungsländern in Afrika und Asien lernen kann.

Dort gibt es zahlreiche Erfahrungen und aussagekräftige wissenschaftliche Untersuchungen zu dem, was sich in Fachkreisen unter dem Kürzel HWC eingebürgert hat. Der Human Wildlife Conflict, also die breit gefächerte Problematik von den Elefanten, die Felder und Dörfer zertrampeln und die Ernte vernichten bis hin zu menschenfressenden Tigern, lässt sich mit Wissen und Fantasie lösen.

Abschüsse von Einzeltieren sind die allerletzte und allzu oft nicht die zielführende Maßnahme. Vielmehr gehören zur Konfliktlösung die Prävention, der Schutz mit wirksamen Mitteln und ganz besonders die Schulung der Bevölkerung im Umgang mit den Wildtieren.

An all dem mangelt es in unseren Breiten allerdings erheblich, wenn es um Wolf und Bär geht. Dazu gehören selbstverständlich auch unbürokratische Regelungen zum Schadenersatz für geschädigte Tierhalterinnen und Tierhalter, wenn Nutztiere zur Beute werden. Gräuelmärchen a la Aiwanger gehören nicht dazu.

Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor.

Kommentare