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Gekommen um zu bleiben

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Von: Manfred Niekisch

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Plastik auch aus Deutschland belastet die Arktis. Da hilft nur Vermeidung, wo immer es geht.

Die Formulierung passt auf viele Leute und Situationen. Vor fast zwanzig Jahren stürmte eine deutsche Band damit sogar die Charts des deutschen Schlagers: „Gekommen um zu bleiben.“ Je nach Kontext oszilliert der Satz zwischen dem positiven Klang neu gefundener Heimat und der Angst auslösenden Bedrohung durch Neues für schon Dagewesenes.

In der Tat kann es einem Angst werden, wenn man die aktuellen Meldungen derer liest, die im Auftrag des Alfred-Wegener-Institutes in der Arktis forschen. Über fünf Jahre haben sie Reisende gebeten, Müll, den sie an den Küsten Spitzbergens finden, einzusammeln und ihnen zur Verfügung zu stellen.

Eine wichtige Erkenntnis der Untersuchung war, dass der dort angeschwemmte Plastikmüll praktisch aus der ganzen Welt stammt und zu erheblichen Teil aus Deutschland. Er wird angeschwemmt und geht von dort nicht mehr weg. Er kam, um zu bleiben.

Manche Plastikteile wie Fischernetze und Kreditkarten treiben gut sichtbar über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte im Wasser, ohne sich zu zersetzen. Dann stellen sie eine Gefahr für viele Lebewesen dar, die sich in ihnen verfangen, an ihnen ersticken, deren Gedärme verstopfen und was sonst noch anrichten, jedenfalls den Tod bringen.

Doch auch die schnell zu winzigen Teilen zerfallenden Komponenten der Abfallberge aus Kunststoff sind gefährlich, wenngleich nicht mehr sichtbar. Mikroplastik ist immer noch Plastik. Das hat sich inzwischen in biologische Systeme eingeschmuggelt, wurde zum Bestandteil von Plankton, Fischen und anderen Meerestieren. Und landet schließlich über die Nahrungsketten auch in unseren Mägen.

So bleibt das Plastik in der Umwelt und in den Organismen erhalten. Egal ob als große, die Umwelt zu Wasser und zu Lande optisch verschandelnde Teile oder als kaum oder gar nicht mehr sichtbare Miniteile entfalten es seine vielfältigen gefährlichen Wirkungen für Lebewesen und Ökosysteme. Sie verbleiben dort auf wohl ewige Zeiten.

Wie kann das sein, dass selbst Sauberländer wie Deutschland erheblichen Anteil an diesen schlimmen Entwicklungen haben? Ganz einfach, es wird viel zu viel Plastik produziert und nicht dauerhaft aus der Umwelt ferngehalten. Es gibt tausend Möglichkeiten, wie es dorthin gelangt.

Die Recyclingsysteme sind unzuverlässig und nicht ausreichend. Auf wie vielen Produkten steht das schöne Wort „recycelbar“, das jedoch lediglich die Möglichkeit der Wiederverwertung signalisiert. Ob diese in die Realität umgesetzt wird, ist keineswegs sicher oder sogar höchst unwahrscheinlich.

Auch wenn Verbraucherinnen und Verbraucher nicht aus der Verantwortung genommen werden dürfen, müssen doch all die Industrien besonders in die Pflicht genommen werden, welche die Vorstufen des späteren Mülls als Flaschen, Lebensmittel- und andere Verpackungen, selbst Barbiepuppen und anderes Spielzug produzieren und in Verkehr bringen.

Kleine Fortschritte bei den Verboten von Einkaufstüten, Kleinteilen, Trinkhalmen und Einmalbesteck aus Plastik machen Hoffnung, reichen aber nicht. Verbote des Plastikmüll-Exportes in nahe oder ferne Länder müssen rigoroser eingesetzt werden. Doch all das hat nicht genügend Wirkung gezeigt. Vermeidung von Plastik steht deshalb, so schwierig es auch sein mag, an oberster Stelle der nötigen Maßnahmen. Was erst einmal im Meer, in den Flüssen oder Böden angelangt ist oder sich in unserem Organismus eingenistet hat, verschwindet nicht wieder.

Weiterer Bericht Seite 16

Manfred Niekisch

ist Biologe und

ehemaliger Zoodirektor

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