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Kolumne
Vielfalt in Texten: Gebt euch bitte etwas mehr Mühe!
- vonMichael Herlschließen
Egal welches Thema, eines haben viele Kritiker gemeinsam: Alle schreiben zunehmend gleich. Das ist ganz fürchterlich. Die Kolumne.
Eigentlich kann ich mich ja recht verständlich ausdrücken, zumindest schriftlich. Mündlich natürlich auch, obwohl gelegentlich behauptet wird, ich würde nuscheln. Ich nuschele natürlich nicht, genauso wenig wie ich schnarche. Beides verweise ich ins Reich der Fabel.
Was hingegen meine Fähigkeit zum schriftlichen Ausdruck angeht, dürfte es keine zwei Meinungen geben. Wie auch, schließlich verdiene ich seit vier Jahrzehnten mein Geld damit, und von einer Unterernährung bin ich weit entfernt – was nicht für immerwährende Ebbe in meinem Portemonnaie spricht.
Ich kann also schreiben. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Menschen etwas anderes lesen als das, was ich formulierte. Diese Art der Missverständnisse scheint mir sogar in Mode zu kommen. Habe also ich das Schreiben verlernt oder andere das Verstehen?
Nehmen wir nur mal das Beispiel Religionen. Seit Ewigkeiten tue ich unmissverständlich kund, dass ich jegliche Glaubensgemeinschaften für Hokuspokus halte. Sie sind alle in Habgier begründet, die Folgen sind bekannt: Kriege, Vertreibung, Folter und Unterdrückung.
Religionen sind dazu ersonnen, die Massen zu verführen – zugunsten des Reichtums einiger weniger. Da sind sie sich alle gleich, vielleicht mit Ausnahme des Buddhismus, das ist aber keine Religion, sondern eine Philosophie.
Mag sein, dass ganz zu Anfang ein hehrer Gedanken stand, das war aber bei der Einführung des Geldes genauso. Es sollte den Tauschhandel lauterer machen, damit alle zu gleichen Teilen versorgt sind und niemand übervorteilt wird. Der Schuss ging bekanntlich nach hinten los – wie bei den Religionen.
Das versuche ich seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig der geneigten Leserschaft zu vermitteln. Das Verwunderliche ist, dass dies Muslimen, Juden und vielen anderen Gläubigen offensichtlich nonchalant am Allerwertesten vorbeigeht – nur Christen regen sich immer wieder unbotmäßig auf, Protestanten übrigens weit häufiger als Katholiken. Stellvertretend das Zitat eines Pfarrers: „Ich dachte immer, Sie könnten die Tinte nicht halten, jetzt weiß ich, es ist das Ejakulat.“
Solche extremistischen Ausbrüche der Bewunderung wurden weniger. Weit häufiger hingegen hat man sich auf zwei Äußerungen eingeschossen. Zum einen wirft man mir vor, Judentum und Islam zu verschonen (das ist mit der Lektüre meiner Texte eindeutig zu widerlegen, Lesen hilft da mal wieder), zum anderen mutmaßt man schon fast bemitleidend, ich habe sicherlich durch traumatische Erfahrungen einen bleibenden Schaden erlitten. Das ist ebenfalls falsch. Schließlich war ich auch nie ein Käfighuhn und verabscheue dennoch die Massentierhaltung.
Das alles ist nicht tragisch. Was mich aber verwundert, ist die zunehmende Einmütigkeit im Ausdruck. Als habe man sich abgesprochen oder sogar Formuliervorschläge ausgetauscht. Das ist genauso wie bei einer anderen Gruppe (die ich bitte ansonsten keinesfalls mit den Gläubigen gleichgesetzt wissen möchte), den selbst ernannten „Querdenkern“.
Alle schreiben gleich, ganz fürchterlich. Deswegen meine Bitte: Liebe Leute, gebt euch doch bitte etwas mehr Mühe. Habt ihr denn keine eigenen Ideen? Ich denke schließlich auch stundenlang nach, bevor ich was zu Papier bringe. Vielen Dank auch.
Michael Herl ist Autor und Theatermacher.