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Eine Tonne Metall von A nach B

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Von: Michael Herl

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Kommt ein ICE von Frankfurt nach Hamburg auch nur zehn Minuten nach der fahrplanmäßigen Zeit an, beginnen viele schon mit der mantragleichen Schimpferei über die Bahn.
Kommt ein ICE von Frankfurt nach Hamburg auch nur zehn Minuten nach der fahrplanmäßigen Zeit an, beginnen viele schon mit der mantragleichen Schimpferei über die Bahn. © Daniel Karmann/dpa

Menschen ärgern sich über einen Zug, der zehn Minuten zu spät ist. Sind sie mit dem Auto eine Stunde hinter dem Zeitplan, sind sie nicht sauer. Warum eigentlich?

Eigentlich ist das ja wieder einer jener Sachverhalte, bei denen eine vernünftige Diskussion schon im Ansatz ins Sinnlose abgleitet. Dafür wurde zu viel mit zu wenig Ergebnissen diskutiert, sind die Positionen zu festgefahren, die Fronten zu verhärtet. Dabei müssten die Fakten eigentlich allen klar und nicht vom Tisch zu wischen sein.

Rein objektiv betrachtet geht es doch schlicht um die Frage, ob es vernünftig ist, wenn ein Mensch immer eine Tonne Metall mitnimmt, wenn er von A nach B gelangen möchte. Wer noch im Besitz all seiner Tassen im Schrank ist, wird diese Frage mit einem klaren Nein beantworten. Das aber ist auch schon der einzige gemeinsame Nenner in Debatten zwischen Autofreunden und Autogegnern.

Wie subjektiv dabei Wahrnehmungen sein können, offenbart sich schon in der Definition des Begriffs „Verspätung“. Kommt ein ICE von Frankfurt nach Hamburg auch nur zehn Minuten nach der fahrplanmäßigen Zeit an, beginnen viele schon mit der mantragleichen Schimpferei über die Bahn.

Fahren sie allerdings dieselbe Strecke mit dem Auto, geraten in einen der allgegenwärtigen Staus und erreichen ihr Ziel erst eine Stunde später als geplant, wird dies als gottgegeben hingenommen. „War halt Stau“, heißt es da nur. Als wäre ein Stau so etwas wie ein Naturereignis. Wie Regen etwa, wie Schnee oder Sturm, wogegen man nichts tun kann.

Verkannt wird dabei allerdings, dass dieses Verkehrsereignis keiner höheren Macht zuzuschreiben ist – sondern man selbst der Stau ist. Eigentlich ganz einfach und offensichtlich doch so schwer einzusehen. Psychologisch gesehen kommt daher wahrscheinlich auch die schnelle Wut über die Bahn. Denn dort tragen ja andere Schuld an der Verspätung. Säßen sie selbst im Führerstand des ICE, wären die Leute sicherlich nachsichtiger.

Daher rührt womöglich auch, dass – je nach Erhebung – etwa vierzig bis sechzig Prozent der Befragten gegen ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen sind. Darf man fahren so schnell man will, hat man es zumindest theoretisch selbst in der Hand, wann man am Ziel ankommt.

Das hat wohl irgendwas mit Freiheit zu tun – allerdings mit einer jener verlogenen Freiheiten, wie sie zum Beispiel von der FDP im Verbund mit der Automobilindustrie propagiert werden und die niedersten Instinkte eines Menschen antriggern sollen.

So sind auch die fast schon allergischen Reaktionen auf die Aktionen der jungen Leute zu erklären, die den Wahnsinn erkannt haben und durch Blockaden auf ihn aufmerksam machen wollen. Sie werden immer mehr in Richtung einer kriminellen Vereinigung gerückt, so wie jetzt wieder von der neuen Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg, die durch dieses anbiedernde Geplapper gleich mal zeigen wollte, wo bei ihr der Hammer hängt.

Dabei produzieren die Aktivisten nichts anderes als das, was wir alle tagtäglich auch tun: Staus. Und zwar täglich rund 1400 Stück, wie eine Untersuchung des ADAC (Allgemeine Deutsche Automobil-Club) aus dem Jahre 2020 besagt. Aber das sind ja unsere Staus, von uns geschaffen durch das Ausleben unserer Freiheit – und die wollen uns die sogenannten Klimakleber nun unverfroren nehmen. Doch was ist die wahre Freiheit? Besteht sie nicht darin, auf dem Weg von A nach B keine Tonne Metall mitnehmen zu müssen?

Michael Herl ist Autor und Theatermacher.

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