Drohende Drohnen

Einst dröhnten sie nur der Bienenkönigin hinterher. Doch inzwischen sind Drohnen die Verlockung schlechthin, wenn es um moderne Bewaffnung geht. Die Kolumne.
Die Anfänge waren harmlos. Da waren Drohnen einfach nur männliche Bienen. Ohne Vater geboren, aus einem unbefruchteten Ei, immerhin aber als Söhne einer Königin. Von den Arbeiterinnen werden diese Drohnen mit süßem Futter verwöhnt und nach einigen Tagen Wachstum wagen sie schnell einen Ausflug auf der Suche nach einer paarungsbereiten Königin. Diese wiederum schwirrt herum auf der Suche nach einem guten Platz für ihr neues Volk. Hochzeitsflug nennt sich dieses Paarungsgewimmel romantisch.
Tausende von Drohnen dröhnen den Lockstoffen der Königin hinterher, aber nur wenige kommen zum Erfolg. Das war es dann, das Leben der Drohne ist vorbei. Einmal abgesehen davon, dass diese Tiere wegen ihrer Lebensweise je nach menschlichem Wertgefühl als arme, glückliche oder faule Wesen einzuordnen sind, werden sie kaum gendergerecht benannt. Im Volksmund sind und bleiben sie mit dem weiblichen Artikel versehen, die Drohnen. Nur mitfühlende Fachleute, Imker und Imkerin, bezeichnen sie als „der Drohn“.
Drohnen: Senkrechtstarter überall
Das alles droht völlig in Vergessenheit zu geraten seit der Übertragung des Begriffes auf technisches Fluggerät. Dieses ist ein wahrer Senkrechtstarter, beim Flugbetrieb wie in der Vielfalt der Nutzungsarten. Als surrendes Spielzeug nervt es alle, welche auf freiem Feld Ruhe und Erholung suchen, in Flughafennähe wird es zur Gefahr für die richtigen Flugzeuge. Die Postzustellung experimentiert herum, um den Zustellbetrieb weg vom Straßenverkehr zu bringen.
Kamerabestückt verschafft die Drohne neuartige Überblicke in vielen Sparten der Forschung. Kaum ein Fernseh-Tatort verzichtet inzwischen darauf, sich den polizeilichen Absperrbändern rund um die Leichenfunde, den fliehenden Fahrzeugen oder ihren Verfolgern fliegend von oben zu nähern. Spektakuläre filmische Möglichkeiten tun sich auf.
Kampfdrohnen müssen her
Man mag diese Neuerungen mögen oder nicht: Ihr Potenzial ist jedenfalls enorm. Leider ist es aber auch enorm zerstörerisch. Denn die militärische Nutzung bewaffneter Drohnen durchläuft gerade eine gewaltige Entwicklung. Und sie trifft auf wachsende politische Zustimmung auch in Deutschland. Ist es doch keine zwei Jahre her, dass die SPD die Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr abgelehnt hat. Doch nun hat Putin mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine fast alle Zweifelnden verstummen lassen. Kampfdrohnen müssen her, und das schnell.
Manfred Niekisch
Der Autor ist Biologe und früherer Direktor des Frankfurter Zoos.
Schließlich lautet der Regierungsbeschluss, unverzüglich mehr Geld in den Verteidigungshaushalt fließen zu lassen. Und weil sich diese fliegenden Tötungsmaschinen so gezielt, so vielfältig, so einfach und auch hinterhältig einsetzen lassen, für ziselierte Operationen, ohne das Leben der eigenen Truppenangehörigen zu gefährden, wird ein komplexes Paket von Bestimmungen geschnürt, mit dem das Parlament bestimmt, ob, wann, wie der Einsatz erfolgt. Das klingt immerhin nach Demokratie und Kontrolle.
Drohnen: Mehr als Bienenmännchen
Ob diese Regelungen den militärischen Praxistest bestehen? Es steht fest, dass die gefährlichen Geräte angeschafft werden, und doch hofft man, dass sie nie zum Einsatz kommen. So wie man bis vor kurzem hoffte, dass es zumindest in Europa nie wieder Krieg geben wird. Die Illusion von der Drohne als armem, faulem, glücklichem, nützlichem Bienenmännchen ist geplatzt. (Manfred Niekisch)