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Kolumne
Donald Trump und die Fabeltiere
- vonManfred Niekischschließen
Verstünde Trump die Moral von der Geschicht’, würde er wie der hochnäsige Fuchs im Wald verschwinden.
Der Volksmund weiß, wann der Esel aufs Eis geht. Nämlich dann, wenn ihm zu wohl wird. Übermut, Leichtsinn, Dummheit – das und mehr wird ihm damit attestiert. Keine Gedanken aber macht sich Volkes Mund, wie das Grautier wieder auf sicheren Boden gelangt. Anders ist das bei der Kuh, da überlegt man sehr wohl, wie man sie vom Eis kriegt. Und atmet auf, wenn es geschafft ist. Aussagen zu charakterlichen Eigenschaften des Wiederkäuers oder dazu, wie das Hornvieh überhaupt auf die Idee kam, den rutschig gefrorenen Untergrund aufzusuchen, sind damit nicht verbunden.
Solche Redewendungen übersetzen uns bildhaft alle möglichen Vorstellungen. Tierfabeln schaffen das noch viel differenzierter. Sie weisen Tieren Eigenschaften zu, die mit der zoologischen Realität meist kaum etwas gemeinsam haben. Der schlaue Fuchs, die dumme Gans, der tapsige Bär, der grimmige Wolf, mit Rufnamen Reineke, Adelheid, Meister Petz, Isegrim und alle anderen spielen Stellvertreter für Menschen. Fabeln erteilen uns Lehren über unsere eigenen Eigenschaften und Verhaltensweisen. Banalisierung widerfuhr ohne sein Zutun dem als Babybringer in aller Regel geschätzten Weißstorch, dessen Fabelname Adebar bei den Ornithologen schließlich zur Abkürzung von „Atlas Deutscher Brutvogelarten“ degenerierte.
Fabeln erlaubten es uns schon vor Jahrtausenden, Charaktere und Wesenszüge aus der Menschenwelt in das – fiktive – Tierreich zu spiegeln und Zeitgenossen so straffrei zu kritisieren. Oder – mitunter etwas moralinsauer – zum Nachdenken anzuregen oder gar zur Nachahmung zu empfehlen.
So kommt Reineke Fuchs nicht an die hoch hängenden saftigen Trauben heran und redet sich dann selbst schön, dass er sie gar nicht wolle. Würde Donald Trump die Moral von der Geschicht’ verstehen, verschwände er wie der hochnäsige Fuchs im Wald – zwar ohne seine Beute, aber auch ohne irgendeinen Schaden anzurichten. Selbst den Verlierern unter den Fabeltieren bleibt meist noch ein bisschen Sympathie oder wenigstens Mitleid.
Der langbeinige, arrogante Hase, den das Igelpaar im Wettlauf überlistet, auch der ob seiner angeblich schönen Stimme geschmeichelte Rabe, der sein leckeres Stück Käse an den lügnerisch schmeichelnden Fuchs verliert, sind Beispiele für Opfertypen, die selbst schuld sind an ihren Niederlagen. Sie können einem leidtun. Spätestens jetzt wird klar, dass man sich Populisten und Demagogen wie dem noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump mit Tierfabeln nicht nähern kann. Denn für böse Unberechenbarkeit und brutales Machtgehabe sind Fabeln zu fein, zu hintersinnig.
Auch das geflügelte Wort von der Kuh, die jetzt vom Eis ist, vermittelt nicht das richtige Bild. Zwar erkennen inzwischen sogar republikanische Hardliner im Kongress Joe Biden als neuen Präsidenten der USA an. Doch es bleiben noch zwei beängstigende Wochen, bis Trump das Weiße Haus verlassen muss. Womöglich will er aber in vier Jahren wieder einziehen. Es besteht also vorerst kein Grund zur Annahme, dass die Kuh vom Eis ist und es dem Esel, Symboltier der Demokratischen Partei, zu wohl werden könnte. Dazu müsste die Gefahr des Spalters Trump auf Dauer gebannt sein. Das wäre dann fabelhaft.