Die ISA in der Zwickmühle

Wir wissen wenig über die Tiefsee und die Folgen deren möglicher Zerstörung. Deshalb sollten wir die dortigen Ressourcen schonen, statt sie zu plündern. Die Kolumne.
Da kommt einiges zusammen, was dem Leben dort unten enge Grenzen setzt. Es gibt kein Licht und damit kein Pflanzenwachstum, es herrschen Nährstoffknappheit und niedrige Wassertemperaturen. Der Boden der Tiefsee bietet extreme Lebensbedingungen.
So hat sich eine sehr fragile Tierwelt ausgebildet mit zahlreichen skurrilen, hochspezialisierten Arten. Von den meisten wissen wir wenig oder nichts. Nicht einmal einen einigermaßen guten Überblick haben wir über das, was dort so alles kreucht und fleucht.
Die meisten Mitglieder der dortigen Lebewelt fleuchen und kreuchen eh nicht, sondern bewegen sich nicht vom Fleck. Sie sind sehr bodenständig, wachsen langsam vor sich hin, die Schwämme, Korallen und Seeanemonen. Sie siedeln an den merkwürdigsten Unterwasserstrukturen.
Manche sitzen spezialisiert auf den Manganknollen. Die sind in den letzten Jahren immer mehr in den Blickpunkt der Wissenschaft gerückt, die langsam in diese Tiefen vorrückt. Weil die Knollen aber auch noch andere Metalle enthalten, welche auf der Erde dringend benötigt und immer knapper werden, ist auch die Industrie hellwach.
Bisher war es zu aufwendig und zu teuer, diese Ressourcen am Tiefseeboden zu erschließen. Doch mit immer weiter entwickelten Techniken und bei steigenden Rohstoffpreisen wird die Erschließung finanziell interessant. Die Sache hat einen Haken. Das Prinzip der riesigen Erntemaschinen könnte primitiver nicht sein.
Sie baggern und saugen einfach den Bodengrund ab. Dabei wissen wir schon aus der Fischerei mit Grundschleppnetzen, welch verheerende Folgen es hat, diese Schicht abzutragen. Nicht nur Tiere und Pflanzen werden vernichtet, der Fauna und Flora unter Wasser wird im wahrsten Sinne des Wortes der Boden entzogen.
Das brachiale Verfahren trägt zudem zum Klimawandel bei, weil durch das Aufwühlen der Sedimentschicht klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wird und das versauernde Meer weniger CO2 aus der Luft aufnehmen kann. Das ist in fischereirelevanten Tiefengut belegt. Völlig unbekannt ist, wie sich das Umpflügen des Meeresbodens in größerer Tiefe auswirken würde, dort wo seit Jahrmillionen die Manganknollen sitzen.
Die Regeneration des misshandelten Tiefseebodens würde sicher viele Jahrhunderte dauern oder gar nicht funktionieren. Wie sich das auf die Meere und unsere Umwelt auswirkt – keine Ahnung. Die ökologische Forschung warnt und mahnt, die Industrie drängelt.
Da sitzt die Internationale Meeresbodenbehörde ISA in der Zwickmühle. Sie wurde gegründet, um die Bodenschätze der Tiefsee als Erbe der Menschheit zu verwalten. In den dreißig Jahren ihres Bestehens hat sie nicht viel von sich reden gemacht, aber jetzt soll sie bis zum Sommer Regularien vorlegen für den Tiefseebergbau.
Mit dem würden einzigartige, bisher unberührte Ökosysteme wohl für immer zerstört werden. Und das, ohne die Folgen zu kennen. Es soll nur niemand behaupten, man könne das Ganze ja irgendwie nachhaltig gestalten. Unsinn, denn es geht wieder einmal um fossile Ressourcen, die nicht erneuerbar sind.
Die Bundesregierung sieht aufgrund des geringen Erforschungsstandes noch keine Grundlage für eine Entscheidung pro Abbau. Andere ISA-Staaten sehen das anders. Die Verhandlungen beginnen im März. So langsam gehen uns jedenfalls die Ökosysteme aus, die wir noch plündern könnten.
Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor.