Der Brotbaum vertrocknet

Die Fichte hat klimabedingt ausgedient. Wie das Klima der Zukunft sich auf neue Wälder auswirkt, weiß niemand. Dennoch ist der Waldumbau notwendig. Die Kolumne.
Wer ihn in Lehrbüchern der Botanik sucht, ist auf dem Holzweg. Den Brotbaum findet man dort nicht. Dennoch ist er seit vielen Jahren im Sprachgebrauch, verstärkt in den letzten, von Dürre und Klimawandel geprägten Jahren. Es geht um die Fichte, den Brotbaum der deutschen Forstwirtschaft.
Seinen Beinamen erhielt das Nadelgehölz, weil er denen, die es wirtschaftlich nutzen, die Ernährung, das Auskommen sichert. Egal ob als Bauholz, Wandverkleidung, Möbel, Spanplatten und Kleinutensilien im Haushalt, die Fichte beziehungsweise ihr Holz wird vielseitig verwendet.
Besonders sorgfältig ausgewählte Exemplare nutzte Antonio Stradivari für seine berühmten Saiteninstrumente, die heute Millionen Euro wert sind. Und lebend ist die Fichte nach wie vor als Weihnachtsbaum gefragt.
Der attraktive Baum führte viele Forstbetriebe und private Waldbesitzerinnen und -besitzer in die Versuchung, und so entstanden riesige Flächen, die nur oder so gut wie nur mit Fichten bestanden sind. Es sind meist eher Holzplantagen als lebendige Wälder. Die Quittung für diese Form des Waldbaus kam mit den großen Stürmen und mit der zunehmenden Trockenheit.
Monokulturen wurden überall vom Wind flachgelegt, und was der übrig ließ, dörrt nun vor sich hin, stirbt ab. Extremwetterereignisse, steigende Temperaturen und Wassermangel haben eine Entwicklung eingeleitet, die besonders fatal ist für die Fichte. Das hat die neueste Waldzustandserhebung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BML) bestätigt.
Forstwissenschaftliche Einrichtungen geben, klimabedingt, der Fichte auf Dauer keine Chance in heimischen Revieren. Diese Veränderungen treffen direkt auch alle Menschen, für die sie bisher Brotbaum war. Nun ist die Ratlosigkeit groß.
Die nordamerikanische Douglasie wird vielfach propagiert als geld- und heilsbringender Fichtenersatz, stößt aber auf Widerstand in weiten Kreisen, da sie nicht in heimische Wälder gehört. Angebaut wird sie schon, wegen ihres Holzes und geringen Feuchtigkeitsbedarfes. Da aber niemand sagen kann, wie sich die Folgen des Klimawandels entwickeln werden, setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, Mischwälder anzubauen mit heimischen Laubbäumen und einer Beimischung von Nadelhölzern. Und der Natur einfach ihren Lauf zu lassen, wo immer das möglich ist.
Die Forschungen laufen auf Hochtouren, welche Baumarten in welcher Zusammensetzung den zu erwartenden Phänomenen von Klima und Wetter am besten widerstehen. Der Waldumbau hat auch weitreichende Folgen für die reich facettierte holzverarbeitende Industrie, angefangen bei den Sägewerken, denn nun sind neue Technologien und Verwendungsmöglichkeiten gefragt.
Rund 900 Millionen Euro stellt das BML in den nächsten Jahren zur Verfügung für den klimagerechten Umbau von Wäldern. Das klingt prima, und ist es auch. Allerdings fragt es sich bei der zu erwartenden Flut von Anträgen, ob die Personalressourcen im Ministerium dazu entsprechend aufgestockt werden. Damit nicht am Schluss nur vermeldet werden kann, dass die Mittel abgeflossen sind.
Das macht sich zwar politisch immer gut. Die wichtigere Information wäre aber, ob und was damit Sinnvolles geschehen ist. Lästig ist allerdings, dass unsere Wälder so langsam wachsen. Innerhalb einer Legislaturperiode sind da kaum echte Erfolge zu vermelden.
Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor.