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Da helfen nur Verbote

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Von: Michael Herl

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Verbote wie ein Rauchverbot an der Bar nerven die Einen und schützen die Anderen. Was also tun, fragt sich unser Kolumnist.
Verbote wie ein Rauchverbot an der Bar nerven die Einen und schützen die Anderen. Was also tun, fragt sich unser Kolumnist. © Imago/McPhoto/BilderBox

Für ein gedeihliches Miteinander müsste Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer genommen werden. Das aber ist leider nur Theorie. Die Kolumne.

Eigentlich haben ja Verbote keinen guten Ruf. Sie beschneiden oft unseren freien Willen, hemmen unseren Entfaltungsdrang und schränken uns in unserem Handlungsspielraum ein.

Ein Halteverbot zum Beispiel lässt uns das Auto nicht vor unserer Stammkneipe abstellen, das Rauchverbot im Lokal nicht quarzen und das Verbot, uns unter Alkoholeinfluss hinters Steuer zu setzen, zu Fuß nach Hause gehen. Andererseits behindern wir so nicht die Feuerwehr beim Löschen, zwingen nicht die Mitmenschen zum Mitrauchen und bewahren andere vor einem Unfall.

Verbote haben also häufig zwei Seiten. Die eine bringt uns meist keinen individuellen Nutzen, sondern geht uns nur auf den Wecker. Die andere verschafft in der Regel der Allgemeinheit Vorteile, uns selbst manchmal auch, aber nicht zwangsläufig.

Klar, das erinnert an den berühmten Spruch von Rosa Luxemburg, wonach Freiheit immer die Freiheit der Andersdenkenden sei. Hebt man die Aussage von der hohen Ebene des Klassenkampfs, ergibt sich daraus die Notwendigkeit, um eines gedeihlichen Miteinanders willen Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer zu nehmen. Da dies aber leider fromme Theorie ist und noch nie in der Geschichte der Menschheit funktionierte, bedarf es der Verbote, um uns zur Nachsicht zu zwingen.

Das ist schade, aber offenkundig unumgänglich. Bedauerlicherweise scheint nämlich die Bereitschaft, das eigene Verhalten zu Gunsten einer funktionierenden Gemeinschaft zu ändern, immer mehr zu schwinden. Das erinnert an den alten Spruch „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht“ – der immer mehr wie eine insgeheime Doktrin der FDP anmutet.

Große Teile unserer Gesellschaft taumeln einem verschwörungsgleichen Neoliberalismus entgegen – und das ist genau das Gegenteil dessen, was uns in der aktuellen Weltlage anzuraten ist. Das nur zögerliche Funktionieren der großen Idee eines gemeinsamen Europas unterstützt diese These – von dem Nicht-Gelingen einer harmonischen Weltgemeinschaft ganz zu schweigen. Global gesehen sind wir auf dem Weg zurück in die Kleinstaaterei, national zu einer egozentrierten Zwangsgemeinschaft, die sich weitab von den Pfaden der Vernunft im Kreis dreht.

Vor diesem Hintergrund kommt man zwangsläufig zu der Überzeugung, dass Verbote das einzige Mittel der Wahl sind. Es ist bedauerlich, doch mit der reinen Vermittlung von Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen scheint man viele nicht zur Einsicht bringen zu können.

Die elendig lange Corona-Diskussion ist ein Beispiel dafür. Die Pandemie wäre viel früher beendet gewesen, hätten sich nicht so viele gegen die guten Gründe der Vernunft gesträubt und impfen lassen. Geholfen hätte ein Verbot der Unvernunft, sprich eine frühzeitige Impfpflicht.

Ähnlich verhält es sich mit vielen weiteren Miseren. Massentierhaltung könnte durch Verbote schon längst ein Relikt aus der Vergangenheit sein. Ebenso wie die Herstellung übermotorisierter Pkw und die damit verbundene Raserei auf der Autobahn.

Und natürlich diese vollkommen aus dem Ruder gelaufene Diskussion um das Heizen mit fossilen Brennstoffen. Ein Verbot hätte kurz wehgetan, doch nun wäre die Wunde längst verheilt – und die Stammtische könnten sich über wirklich wichtige Themen die Köpfe heiß reden.

Michael Herl ist Autor und Theatermacher.

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