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Corona-Welpen: Tiere leiden unter neu entdeckter Reiselust

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Von: Manfred Niekisch

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Ach sind die süß! Aber für manche Hundebesitzerinnen und -besitzer nur, solange sie klein sind.
Ach sind die süß! Aber für manche Hundebesitzerinnen und -besitzer nur, solange sie klein sind. © Michael Schöne/Imago

Alljährlich häuft sich zu Ferienbeginn die Zahl ausgesetzter Haustiere. Aus Langeweile in Pandemiezeiten gekauft, fallen sie jetzt der Reiselust zum Opfer.

Frankfurt – „Bitte, bitte, ich kümmere mich auch ganz doll darum.“ So oder so ähnlich lauten die von Überzeugungskraft strotzenden Argumente von Kindern, wenn es um die Anschaffung von Meerschweinchen, Hund oder Pony geht. Wer könnte einer solchen Bitte seiner Kinder schon mit einem kategorischen Nein begegnen?

Na ja, bei einem Pony noch am ehesten, schon wegen des damit verbundenen Problems der Unterbringung. Meerschweinchen immerhin könnten in der Ferienzeit bei einer lieben Freundin geparkt werden oder bei einem männlichen Tierliebhaber.

Beide sollten dann aber zuverlässig sein und eher keine Schlangen halten, wenn der geliebte Nager nach dem Urlaub in den ursprünglichen Kreis der Familie zurückkehren soll. Dem Tier selbst dürfte es im Exil ziemlich egal sein, von wem es seine Salatblätter und gelben Rüben erhält und wer ihm die Einstreu wechselt.

Unüberlegte Tierkäufe: Hunde und Katzen landen auf der Straße

Ganz anders ist das in der nächsten Größenklasse be- und geliebter Haustiere, bei den Hunden und Katzen, denn die haben einen stärkeren oder gar starken sozialen Bezug zu ihren Herrchen und Frauchen. Leider gilt das nicht immer auch umgekehrt. Denn wäre die Beziehung in jedem Falle beidseitig, würde in den Verkehrsmeldungen zu Beginn der sommerlichen Ferienzeit und nach Weihnachten nicht allzu oft vor Hunden auf der Fahrbahn gewarnt werden. Ausgesetzte Katzen verhalten sich diesbezüglich eher unauffällig und schlagen sich offenbar etwas leichter allein durch, zumindest solange sie nicht still und kaum bemerkt unter Autoreifen landen.

Jetzt beginnt wieder die Zeit, in der unüberlegt gekaufte tierische Lieblinge zum Störfaktor mutieren und auf der Straße landen. Ganz ähnlich wie nach dem Fest, das an Christi Geburt oder an viel ältere, in das Dunkel der Geschichte weggedrückte heidnische Bräuche erinnern soll. Wenn bemerkt wird, dass das einstmals so süße Jungtier wächst und doch mehr Arbeit macht als geahnt, wenn die Frage „Wohin jetzt damit im Urlaub?“ keine kostengünstige Antwort findet, dann bieten sich Autobahnparkplätze oder andere einigermaßen anonyme Orte zur Entsorgung an.

Deutsche reisen wieder – und die Haustiere müssen leiden

Und dieses Jahr ganz besonders, wo die aus Langeweile angeschafften Corona-Welpen in der Priorität deutlich hinter die zwei Jahre lang ausgebremste, endlich wieder lebbare Reiselust rutschen. Hundeseitiger Trennungsschmerz wird dabei menschenseitig einfach übergangen.

Es ist nach dem Tierschutzgesetz verboten, „ein im Haus, Betrieb oder sonst in Obhut des Menschen gehaltenes Tier auszusetzen oder es zurückzulassen, um sich seiner zu entledigen oder sich der Halter- oder Betreuerpflicht zu entziehen“. Dass einmal eine Geldbuße in der Höhe der möglichen 25 000 Euro verhängt worden sei, hört man allerdings selten. Tatverdächtige sind meist nicht zu fassen. Im Gegenteil sind es in aller Regel die Tierheime, die auf den Kosten für Futter und Unterbringung sitzenbleiben.

Den höchsten Gruselfaktor bieten eindeutig die allsommerlichen Meldungen über ausgesetzte Krokodile im Baggersee. Mitleid ist da nicht in allen Fällen angebracht, denn wiederholt erwiesen sich die vermeintlichen Panzerechsen als Produkte aus Fantasie oder Plastik. (Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Direktor des Frankfurter Zoos)

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