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Corona in Deutschland: Impfverzögerer Stiko

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Von: Richard Meng

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Das schnelle Impfen wurde von der Ständigen Impfkommission immer wieder gebremst.
Das schnelle Impfen wurde von der Ständigen Impfkommission immer wieder gebremst. © Philipp Schulze/dpa

Eine Beißhemmung gibt es gegenüber der Ständigen Impfkommission, die in der Anti-Corona-Politik manches verzögerte. Die Kolumne.

Es gibt ein paar wenige Institutionen, die frei von der Gefahr sind, kritisiert zu werden. Der Bundespräsident vor allem, das Bundesverfassungsgericht auch. Es gehöre sich nicht, sie ins Tagesgerede zu ziehen, sagen die einen. Aus staatspolitischer Verantwortung meinen andere, um den Rest an Konsens nicht zu zerdeppern, verbiete sich Widerspruch. Manchmal auch beim Parlament, selbst wenn es mit einem Schneckenverfahren viel Zeit verplempert, wie beim Impfthema. Das soll seriös und sorgfältig sein, wirkt in all der Bemühtheit aber ziemlich ängstlich.

Öffentliche Beißhemmung gibt es oft auch gegenüber der Ständigen Impfkommission, die so manche Verzögerung in der Anti-Corona-Politik zu verantworten hat, dafür aber selten deutlich attackiert, sondern bestenfalls ignoriert wurde, jedenfalls seitens der Regierung.

Corona in Deutschland: Stiko-Vorsitzender hat immer wieder öffentlich gebremst

Ihr Vorsitzender, Thomas Mertens, hat immer wieder öffentlich gebremst, wenn es ums schnelle Impfen ging. In der Zwischenzeit haben sich viele Leute unnötig infiziert. Ein ums andere Mal kam vom Bedenkenträger die Auskunft, man habe noch nicht genügend Daten. Zwischendrin auch mal die unglaubliche Andeutung, man habe nicht genügend Personal.

Es durften andere die Daten liefern. Israel, die USA, sogar die EU waren zügiger. Hat jemals jemand klar gesagt, dass ein betulicher Impfkommissionschef, der sich inzwischen sogar gegen eine Impfpflicht agiert, Schaden anrichtet? Ein älterer Herr als Nebenregierung: Sollte andererseits genau das erwünscht sein, um die Politik zu entlasten, so wie auch mit der ausgiebigen Orientierungsphase im Bundestag, wo eine Mehrheit pro Impfpflicht doch eigentlich klar ist?

Expertenkommissionen werden berufen, um Unabhängigkeit zu signalisieren. Und doch wird unter dieser Überschrift leicht Verantwortungsferne produziert. Wenn’s dann brennt, droht Verschlafenheit. Mehr Glaubwürdigkeit? Das ist die Theorie, schnell kann die aber zur Schutzbehauptung werden. Während es – siehe Impfen – als Schwäche des Arguments rüberkommt, wenn andere erst den Anlass Corona zum bloßen Vehikel machen, generell gegen rationale demokratische Prozesse zu hetzen.

Denkt jemand im Ernst, Israel, die USA oder Österreich setzen Menschen einem unkalkulierbaren Risiko aus? So gesehen wäre es sogar denkbar, deren Abwägungen zunächst, soweit sie nachvollziehbar sind, zu übernehmen (und umgekehrt, Nationalismus im Denken ist ja überall fehl am Platz). Statt immer wieder eine deutsche Prüfung desselben Sachverhalts nachzuschalten, die Wochen später kein anderes Ergebnis hat.

Stiko: Es lohnt sich nicht, sich Gedanken über die Ablösung von Stiko-Chef Mertens zu machen

Einen guten Einwand gibt es: Prüfungen könnten unter dem Lobbydruck nationaler Pharmafirmen unseriös sein. Dann indes wäre es zumindest in Europa richtig, wenn auf EU-Ebene Experten die Linien festlegen. Die Euro-Profis werden einwenden, Gesundheit sei keine Aufgabe Brüssels. Aber was hindert daran, Zulassungen und Empfehlungen direkt zu übernehmen? Es hätte bei Corona auch dem einen oder der anderen Deutschen das Leben gerettet.

Es lohnt nicht, sich Gedanken über die Ablösung von Mertens zu machen, der ist Ausdruck eines größeren Themas. Es lohnt eher, seine nationale Impfkommission in ihrer politikbestimmenden Bedeutung zu entmachten. Es braucht kein spezifisch deutsches Gewese, um einer Pandemie angemessen zu begegnen.

Ob und für wen impfen sinnvoll ist oder nicht, kann und muss für Europa einheitlich bewertet werden, fachlich kompetent und transparent. Danach ist in den EU-Staaten die Politik am Zug, wenn sie sich traut. Kritische Debatte? Selbstverständlich. Aber auch zügiges Handeln. (Richard Meng)

Richard Meng ist freier Autor und Kuratoriumsvorsitzender der Karl-Gerold-Stiftung.

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