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Chinas Weg

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Von: Paul Mason

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Chinas Staatschef bei Putin in Moskau: Was Xi innerhalb von 13 Monaten erreicht hat, ist die völlige Abhängigkeit Russlands von China.
Chinas Staatschef bei Putin in Moskau: Was Xi innerhalb von 13 Monaten erreicht hat, ist die völlige Abhängigkeit Russlands von China. © Alexey Maishev/dpa

Der Westen sollte Peking eine Lektion über die Sinnlosigkeit von Aggression erteilen. Die Kolumne.

Es steht ein Wandel bevor, wie er seit 100 Jahren nicht mehr stattgefunden hat. Und wir treiben diesen Wandel gemeinsam voran“, sagte Xi Jinping zu Wladimir Putin beim Besuch in Moskau. Egal, wie viele andere Lügen sie sich erzählt haben, dies scheint die Wahrheit zu sein.

Als Russland aus Charkiw und Cherson vertrieben wurde, als seine Truppen als Völkermörder entlarvt wurden, musste sich Chinas Führer entscheiden. Nachdem Putin vom internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen angeklagt worden war, wäre es für Xi ein Leichtes gewesen, auf Distanz zu gehen und so zu jenen Teilen des Westens gute Beziehungen aufrechtzuerhalten, die nicht in die Konfrontation zwischen den USA und China verwickelt waren.

Doch Xi tat das Gegenteil. Er umarmte Putin auch körperlich und sagte: „Bitte pass auf dich auf, lieber Freund.“ Und dann ging er zurück mit einem riesigen asymmetrischen Handels- und Energieabkommen.

Putin versprach, die Pipeline „Strength of Siberia 2“ zu vollenden und damit die Exportabhängigkeit von Europa durch eine von China zu ersetzen. Der russische Präsident verpflichtete sich, den chinesischen Yuan als Währung für seinen Handel mit Afrika und Asien einzusetzen. Er verkündete, die komplette russische Landwirtschaft am chinesischen Markt neu auszurichten. Er bot an, die Vermögenswerte westlicher Unternehmen in Russland auf chinesische Firmen zu übertragen. Und schließlich versprach Putin mit China bei der Entwicklung der polaren Handelsrouten zusammenzuarbeiten, was schlicht bedeutet, Xi zu gestatten, in der Arktis seine Seemacht auszuüben. Alles, was Putin im Gegenzug erhielt, war die Zusage, dass China im UN-Sicherheitsrat weiter alle Beschlüsse blockieren wird.

Was Xi innerhalb von 13 Monaten erreicht hat, ist die völlige Abhängigkeit Russlands von China. Außer seinen Klientelstaaten Weißrussland, Syrien, Iran und Transnistrien kann Russland keine Allianz mehr mobilisieren. Gleichzeitig hat China sein Bündnissystem im globalen Süden aufgebaut und gefestigt.

Verloren geht damit nicht nur die geopolitische Dominanz der USA. Verloren ist auch die auf Regeln basierende Ordnung nach 1945, die auf den universalistischen Konzepten der Menschenrechte und des Völkerrechts beruhte.

Das globale Projekt von Xi ist jetzt klar. Er schafft eine Kette halbkolonialer Klientenstaaten quer durch Zentralasien und in den Küstenregionen des Pazifischen und Indischen Ozeans. Die strategische Partnerschaft mit Russland legt die UN dauerhaft lahm.

Die zentrale Frage für die demokratische Welt lautet heute: Wie können wir die Demokratisierung Chinas fördern und es in der Zwischenzeit von Aggressionen abhalten?

Um eine Antwort zu finden, müssen wir nicht nur die chinesische Intelligenz aus Hongkong im Exil beobachten. Es lohnt auch ein Blick auf jene, auf die die chinesische Führung selbst ihre Hoffnungen setzt: die chinesische Arbeiterklasse. Deren Kampf für die Rechte am Arbeitsplatz und die Menschenwürde bleibt noch immer die große unerzählte Geschichte der modernen Welt.

Und die Suche nach der Antwort führt uns zurück in die Ukraine. Wir müssen die militärische Niederlage der russischen Streitkräfte und eine Beilegung des Konflikts im Einklang mit dem Völkerrecht ermöglichen.

Chinas Führung mag einem seltsamen, engelsschen Marxismus verfallen sein, der ihnen die unvermeidliche Weltherrschaft vorhersagt, aber im Grunde sind sie Empiriker. Eine praktische Lektion über die Sinnlosigkeit von Aggression ist mehr wert als tausend philosophische Argumente.

Paul Mason ist britischer Autor und Journalist.

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