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Der „German Panzer“ macht wieder von sich reden

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Von: Michael Herl

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Was soll denn dieses alberne Theater mit den „militärischen Ehren“? Für solch vorgestriges Gehampel haben wir doch die Briten!
Was soll denn dieses alberne Theater mit den „militärischen Ehren“? Für solch vorgestriges Gehampel haben wir doch die Briten! © Bernd Elmenthaler/dpa

Die Bundeswehr ist in der Krise. Um sie zu lösen, sollte sie sich als moderne Armee der Gesellschaft anpassen und sich lockerer geben. Die Kolumne.

Berlin – Eigentlich ist ja generell nichts dagegen zu sagen, dass wir Deutsche lockerer geworden sind. Beschäftigte einer Bank begegnen einem (wenn überhaupt) längst nicht mehr in Kostüm oder Anzug, die Oper darf auch in Jeans und T-Shirt besucht werden, ein Ohrring scheint zum Dresscode von Zollfahndern und Finanzvollstreckern zu gehören, gegessen wird mehr auf der Straße als zu Tisch. Und während Joschka Fischer 1985 bei seiner Vereidigung zum Minister damit noch für einen Skandal sorgte, werden Turnschuhe längst zu allen Anlässen getragen.

Die neue Lässigkeit machte auch vor dem Fußball nicht halt. Die Art, wie die deutsche Nationalmannschaft diesen Sport zu betreiben pflegt, hat nichts mehr mit der Dampfwalzentaktik von einst zu tun. So leicht und locker geht da der Ball vom Fuß, dass es eine wahre Freude ist.

Der „German Panzer“ macht wieder von sich reden

Sogar die englische Boulevardpresse findet trotz emsigen Bestrebens keine Gründe mehr, die hiesigen Kicker als „german panzer“ zu titulieren. Das ist schön – hat aber den kleinen Nachteil, dass „wir“ damit seit Jahren nicht mal mehr einen Blumentopf gewinnen konnten und im internationalen Vergleich eher im Mittelfeld herumdümpeln.

Doch „german panzer“ machen ja seit kurzem in anderen Zusammenhängen von sich reden. Und zwar nicht mehr als Synonyme für teutonische Brachialität, sondern als leibhaftige Kriegsmaschinen aus hiesiger Provenienz. Fünfzig Stück davon sollen nun in die Ukraine geliefert werden. Sie kommen von den Resterampen der Waffenindustrie, standen dort offensichtlich jahrelang herum, weil keiner mehr mit ihnen schießen mochte.

Schon gar nicht benötigt wurden sie von der Bundeswehr. Die hatte nach dem Ende des Kalten Kriegs munter abgerüstet, was auch aus heutiger Sicht uneingeschränkt gutzuheißen ist. Problematisch aber, was die Wehr seither sonst so aus sich machte. Sie hatte und hat eine Sinnkrise.

Bundeswehr sollte sich lockerer geben

Ich bin kein Militärexperte. Wäre ich das, würde ich seit rund einem Jahr unaufhörlich in Talkshows an der Seite der bodengebundenen Kampfdrohne Agnes Strack-Zimmermann sitzen und soldatisch knapp Überflüssigkeiten von mir geben.

Doch gerade deswegen kann ich der Bundeswehr einen wahrscheinlich hilfreichen Rat erteilen: Wie wäre es denn, sich als moderne Armee der Gesellschaft anzupassen und sich lockerer zu geben? Ich sah mir unlängst den Empfang des ukrainischen Feldherrn Wolodymyr Selenskyj an und war bestürzt.

Was soll denn dieses alberne Theater mit den „militärischen Ehren“? Für solch vorgestriges Gehampel haben wir doch die Briten! Ein Haufen Männlein und ein paar Weiblein stehen in schlecht sitzenden Zinnsoldatenuniformen altertümlich bewaffnet in der Gegend herum, während daneben eine Blaskapelle scheppernd aufspielt. Wen soll das denn beeindrucken? Selenskyj in seinem grünen H&M-Pullover jedenfalls nicht.

Herhören!

Und dann diese Schreierei! „Augen rechts!“ Was für ein Quatsch! Kann man denn nicht wie in jedem modernen Unternehmen in ruhigem Ton Arbeitsanweisungen erteilen? Muss man da so rumplärren?

Ich sehe ja mittlerweile vielleicht ein, dass wir eventuell eine Armee brauchen. Aber wenn, dann sollte sie doch so sein, dass da auch Menschen arbeiten wollen, die Wert auf zeitgemäße Umgangsformen legen. So jedenfalls wird das nichts. Herhören!

Michael Herl ist Autor und Theatermacher.

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