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Aus der rechten Ecke

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Von: Michael Herl

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Wir sind schon lange nicht mehr zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl, mittlerweile bauen wir auch nicht mehr die besten Autos der Welt.
Wir sind schon lange nicht mehr zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl, mittlerweile bauen wir auch nicht mehr die besten Autos der Welt. © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Echt jetzt? Fordern Rechte immer noch Sprachtests für einreisewillige Arbeitskräfte und sind sie immer noch gegen die Viertagewoche? Die Kolumne.

Eigentlich gibt es den Homo germanicus ja nicht. Deutschland entstand bekanntlich aus einer Vielzahl von Königreichen, Provinzen, Herzogtümern und sonstigen Menschenzusammenballungen, ergänzt durch Zugewanderte aus diversen Gebieten der Welt.

Wir sind also ein bunter Haufen aus verschiedenen Kulturen, der sich zwecks des reibungslosen Zusammenlebens auf einen größtmöglich gemeinsamen Nenner einigte – und immer noch einigen muss. Denn das ist ein stetiger Prozess, an dem fortwährend gearbeitet werden muss.

Man kennt das von kleinstmöglichen Miteinandern wie etwa einer Ehe. Auch sie flutscht nicht von allein, sondern benötigt das, was auf Therapiedeutsch „Beziehungsarbeit“ genannt wird. Dass das kein Pläsier ist, ergibt sich schon aus dem Wort.

„Arbeit“ wird selten mit Spaß in Verbindung gebracht, sondern eher mit Begrifflichkeiten wie Bergwerk, Hochofen, Fließband oder Geschirrspülen. Man denkt dabei nicht an Wonne, stattdessen an krumme Buckel, rußige Gesichter und runzlige Hände.

Das sind also wir. Die Deutschen. Dass man uns nachsagt, den Humor nicht in der Wiege vorgefunden zu haben, ist da kein Wunder. Dass wir uns schwer damit tun, stolz auf unser Land zu sein, hat damit allerdings weniger zu tun. Andere Nationen wie etwa die USA oder auch Frankreich sind auch eine Mischung aus Menschen verschiedensten kulturellen Hintergrunds, dennoch gerät man dort beim Erklingen der jeweiligen Nationalhymne sofort in Wallung, steht auf und bekrabbelt sich mit der rechten Hand die Warze der linken Brust.

Wir tun das nicht. Das ist zwar ziemlich gut so, doch hat damit zu tun, dass vor gar nicht so langer Zeit der Versuch, das deutsche Volk über ein notwendiges Mindestmaß hinaus zu einigen, gründlich missriet und sechzig Millionen Menschen das Leben kostete. Die Erinnerung daran sollte möglichst lange in uns wohnen bleiben.

Vor diesem Hintergrund tut es nicht Wunder, dass Bestrebungen brachialer deutscher Egalisierung immer aus der rechten oder äußerst rechten Ecke kommen. Abgesehen vom Gefasel einer angeblichen Alternative für Deutschland ist das jetzt zum Beispiel wieder die Forderung der christsozialen Union nach Sprachtests für einwanderungswillige Fachleute.

In einem Land, in dem sich selbst so manche Südpfälzer nur holprig mit so manchen Nordfriesen verständlich machen, mit den jeweiligen Nachbarn in Dänemark und Frankreich aber munter parlieren können, ist das nichts weiter als tumber Patriotismus. Sprache kann man erlernen, Weitsicht offenbar nicht.

Ähnlich das trotzige Nein zur Viertagewoche. Diese engstirnige Verweigerungshaltung entstammt schlicht der verblendeten Sehnsucht nach einem deutschen Gestern, das zum Glück gestern war. Nach deutscher Wertarbeit, nach Fleiß, Ordnung, Strebsamkeit und Gehorsam, nach Wirtschaftswunder, Arbeiten bis zum Umfallen, „Schaffe, schaffe Häusle baue“ und „Mein Kind soll es einmal besser haben als ich“.

Das ist vorbei. Wir sind schon lange nicht mehr zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl, mittlerweile bauen wir auch nicht mehr die besten Autos der Welt. Bestenfalls die besten Flugzeuge – und zwar zusammen mit mehreren anderen Ländern. Aber das sollten wir auch locker in vier Arbeitstagen pro Woche schaffen.

Michael Herl ist Autor und Theatermacher.

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