Auf dem Weg zum Militärexperten

Es ist hilfreich, nicht einfach bloß mitzureden, sondern sich eingehend mit Begriffen wie „schwere Waffen“ vertraut zu machen. Die Kolumne.
Jetzt, wo jeder und jede zu wissen meint, was zu tun ist, fällt immer wieder das Wortpaar „schwere Waffen“. Sie werden vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zur Selbstverteidigung gefordert, aber seitens der deutschen Politik zögert man, sie bereitzustellen.
Es muss sie in den Arsenalen wohl geben, hört man. Aber sie seien nicht gleich einsatzfähig, zum Teil wohl deshalb, weil sie zunächst gründlich gewartet werden müssen. Seitens einiger Expertinnen und Experten wird betont, dass sie nicht gleich nach Ansicht eines Youtube-Videos fortzubewegen seien. Andere betonen die ungeheure Lernfähigkeit der ukrainischen Soldaten. So verlaufen auch die militärischen Expertisen und Einschätzungen entlang paternalistischer Muster.
Als anerkannter Kriegsdienstverweigerer und Absolvent des zivilen Ersatzdienstes in den späten 70er Jahren habe ich weder gedient noch angemessene Kenntnisse über militärische Fahrzeuge und Waffen erworben. Umso kurioser ist es, dass mir das Wort „Panzerspähwagen“ im Gedächtnis geblieben ist, als sei es eine Art mythische Vokabel einer verdrängten Nachkriegskindheit.
Das Wort, so habe ich nachgelesen, gilt als Oberbegriff verschiedener Fahrzeuge, die von der Deutschen Reichswehr beziehungsweise Wehrmacht eingesetzt wurden. Aufgrund der Einschränkungen der Versailler Verträge, so meine Recherche, befasste sich die Reichswehr bald nach Beendigung des Ersten Weltkrieges intensiv mit der Mobilisierung und Motorisierung des Heeres. Die Panzerspähwagen gingen aus dieser Überlegung hervor, man setzte auf Wendigkeit und Flexibilität.
Die Forderung seitens der ukrainischen Streitkräfte, die sich nun viele zu eigen machen, legt die Vermutung nahe, dass die anfangs für übermächtig gehaltene russische Armee zumindest am Boden einen konventionellen, beinahe antiquierten Krieg führt.
Territoriale Eroberung geht einher mit brutalen Angriffen auf die Zivilbevölkerung, als käme es darauf an, die Kriegswirklichkeit besonders drastisch zum Ausdruck zu bringen. In den naiven Vorstellungen vom Krieg hat sich das David-Goliath-Schema gehalten.
Den übermächtigen Kräften unterstellt man Schwerfälligkeit bis zur Manövrierunfähigkeit. Der Untergang des russischen Kriegsschiffs Moskwa passt da ins Bild.
Schwere Waffen, so kann man auf einer informativen Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung (sicherheitspolitik.bpb.de) nachlesen, „bilden auch heute noch den Kern moderner Streitkräfte. Dazu zählen Kampfpanzer, Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe und U-Boote. Sie sind einerseits von Klein- und Leichtwaffen und andererseits von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen zu unterscheiden.“
Insgesamt werden als schwere Waffen alle militärischen Rüstungsgegenstände bezeichnet, die in die Kategorien gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie, Kampfflugzeuge und Großkampfschiffe unterschieden werden. Es sieht so aus, als wäre es hilfreich, nicht einfach bloß mitzureden, sondern sich eingehender mit derlei Begriffen vertraut zu machen.
Taktische Atomwaffen, von denen angstvoll nun ebenfalls die Rede ist, waren übrigens für Bundeskanzler Konrad Adenauer schon in den 50er Jahren „nichts weiter als die Weiterentwicklung der Artillerie“, auf die er nicht verzichten mochte.
Harry Nutt ist Autor.