Klima- und Umweltbeschlüsse der Ampel: Der Kanzler schlief leider nicht

Die Beschlüsse der Ampel-Koalition sind miserabel für Klima und Umwelt. Dass sie sehenden Auges und wachen Geistes zustande gekommen sind, ist kaum entschuldbar. Die Kolumne.
Frankfurt – Hat da jemand geschlafen? Man mag sich nicht vorstellen, dass das, was der Koalitionsausschuss der Regierungsparteien jetzt als Kompromiss aus seinen Verhandlungen verkauft, wach und sehenden Auges verabschiedet worden ist. Da müssten doch bei allen, die den Schutz von Klima und Umwelt in seiner Bedeutung und Dringlichkeit erkannt haben, sämtliche Alarmglocken geschrillt haben.
Warum sind sie nicht aufgewacht? Oder waren sie dort nicht vertreten? Naja, von der FDP mussten wir inzwischen mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass sie sich um Klima und Naturschutz nicht schert, aber nun mangelt es offenbar in allen Regierungsparteien an entschiedenen Befürworterinnen und Befürwortern einer wirksamen, unverzüglichen Umweltpolitik. Und das unmittelbar nachdem der Weltklimarat IPCC und der Welt-Biodiversitätsrat IPBES ihre Berichte mit den unter die Haut gehenden Appellen in die Welt geschickt haben. IPCC und IPBES haben keinen Zweifel gelassen, dass Eile geboten ist, dass Natur- und Klimaschutz so dringend sind wie nie zuvor.
Umwelt- und Klimaschutz: Freikauf bei Naturzerstörung?
Wer hat da geschlafen, dass es jetzt wieder möglich ist, sich bei Naturzerstörung freizukaufen? Wenn für Infrastrukturmaßnahmen einer der verbliebenen Reste von Natur in der Landschaft zugebaut wird, braucht nicht Ausgleich durch Flächen an anderer Stelle geschaffen werden. Man kann bequem eine Ausgleichszahlung leisten, für den Naturschutz natürlich. Prima, mit dem Geld sollen sich dann Kröten einen neuen Teich basteln oder Orchideen eine neue Wiese kaufen, irgendwo?
Die Regelung läuft dem angekündigten Flächenbedarfsgesetz und dem Aufbau eines nationalen Biotopverbundes diametral entgegen. Soll so das international festgelegte Ziel, künftig 30 Prozent von Land und Meer unter Schutz zu stellen, erreicht werden?
Dass Naturschutz in Deutschland mehr Geld braucht, ist seit langem klar, aber vor allem braucht er mehr Fläche. Widersinniger als durch einen solchen Ablasshandel kann man eine verbesserte Finanzierung und räumliche Ausstattung des Naturschutzes kaum angehen. Der klimapolitisch gebotene Ausbau von Windkraftanlagen lässt sich dadurch nicht sinnvoll beschleunigen. Es frohlockt besonders Verkehrsminister Volker Wissing, weil er Autobahnen bauen darf. Solcher Neubau ist zwar völlig absurd angesichts der überfälligen Verkehrswende und der nötigen Reduktion des Ausstoßes von Kohlendioxid, aber statt öder Grünstreifen entstehen dann straßenbegleitend schöne Solarpaneele.
Fragliche Beschlüsse der Ampel mit Blick auf Umwelt und Klima
Soll das, wie die Grünen glauben machen wollen, ein Kompromiss sein? Obendrein gibt es grünes Licht für die von der FDP trickreich erzwungene E-Fuel-Ausnahme vom Verbrennerverbot. Der Totalangriff auf den Klimaschutz erfährt seine Vervollkommnung durch die Abschaffung der Sektorziele für den CO2-Ausstoß. Welches Ressort, welcher Sektor soll motiviert sein, hier ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, wenn die eigenen Einsparungen doch nur Freiräume für Andere schaffen, mehr zu emittieren?
Kanzler Olaf Scholz betonte stolz, er habe bei den Sitzungen des Koalitionsausschusses nicht geschlafen. Schade, denn Tiefschlaf hätte man ihm, der sich selbst als Klimakanzler bezeichnet, als Erklärung für solche Beschlüsse noch am ehesten gelten lassen.
Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor.