AfD ist nicht vom Himmel gefallen: Wer einen Roland Koch hat, braucht keinen Gauland

Zehn Jahre gibt es nun die AfD. Doch das Kernproblem in Deutschland liegt nicht bei teils extremen Rechten. Die Kolumne.
Frankfurt – Wer glaubt, dass die Rechten erst 2013 durch die AfD so richtig durchgestartet sind, hat vorher in einem Hola-Raum gelebt. Auch 2017 markierte keine gesellschaftliche Wende, nur weil es die Blau-Braunen in den Bundestag schafften und ihr parlamentarisches Palaver seitdem als ein „demokratisches“ behauptet wird – selbst dann, wenn es von Demokratie so weit entfernt ist wie die Erde vom Mond.
Das Kernproblem ist nicht die AfD, die im Februar ihr Zehnjähriges feiert, geht man von der Gründung in Oberursel aus. Problematischer ist jenes Gedankengut, das andere Parteien seit 1945 mitgeschleppt, neu geprägt und damit der AfD den Weg bereitet haben zu einer extremen Rechten, die deshalb gewählt wird, weil sie Krawatte anstatt Springerstiefel trägt. Nur: mit wem anfangen?
Zehn Jahre AfD - Braune Farbe in der Politik gibt es schon länger
Am besten mit einer Politikerliste auf Wikipedia: Alphabetisch geordnet steht dort, wer sich nach der Schoah und trotz NSDAP-Mitgliedschaft in politischen Ämtern die braune Farbe übermalen ließ, und zwar mit Gelb, Schwarz und Rot. Hier aufzuführen, wer wann zuerst bei den Nazis, dann bei der FDP, der CDU oder SPD und zwischendurch bei der NDP war, ist völlig sinnlos.
Gehen Sie davon aus, dass unzählige Nazis besonders in der CDU, aber auch gerne in FDP und SPD untergekommen sind. Bis zum Buchstaben F sind es tatsächlich sechs Ex-Nazis, die als westdeutsche Botschafter durchgingen. Beispielhaft ist die Personalie Alfred Dregger. Der war mit 20 Jahren braves NSDAP-Mitglied und unterschrieb später einen Aufruf, der die Befreiung Deutschlands durch die Alliierten als „einseitig“ formuliert infrage stellte.
Rechtspopulismus in Deutschland: Ex-Nazis, Republikaner und die AfD
Lustig, dass gerade er ein Befürworter des sogenannten Radikalenerlasses war, der sich eigenlogisch auf Linke bezog und nicht auf Ex-Nazis. Dregger schaffte es zum Oberbürgermeister von Fulda. Die kleinere Nummer Erich Mix, der sich vom SS-Standartenführer zum FDP-Mitglied überführte, wurde immerhin Vizepräsident des Landtags Hessen.
Das spricht nicht unbedingt für die Demokratisierung einer Gesellschaft, die sich entgegen jedweder humanitären Selbstverpflichtung eines globalen Massenmordes mitschuldig gemacht hat. Tatsächlich heulte der Mainstream nicht groß auf, als ein „Republikaner“ vom vollen „Boot“ bezüglich Geflüchteter greinte, und das wichtigste Nachrichtenmagazin jene Hetze auf dem Titel 1991 („Ansturm der Armen“) mit exakt einem Boot unkritisch nachzeichnete.
Wer Roland Koch hat, braucht eigentlich keine AfD
Oder Roland Koch. Es lag wohl an seinem rassistischen Wahlkampf und weniger an der Aura, dass er es mit der CDU im ehemals „roten Hessen“ zum Ministerpräsidenten brachte. Koch stellte den deutschen Pass über alles – und belegte wieder einmal jegliche Absenz gesellschaftspolitischer Selbstreflexion.
Zusammengefasst hätte es die AfD gar nicht gebraucht. Wer einen Koch hat, braucht keinen Gauland, was umgekehrt ebenso funktioniert. Wenn also am 6. Februar das große Geheule dahingehend losgeht, dass die AfD die Demokratie aushöhle, sei daran erinnert, dass Sprache und Habitus nicht vom Himmel gefallen sind.
Zehn Jahre AfD: Das Gejammer bleibt Makulatur
Und wenn Alice Weidel mit ihren „Kopftuchmädchen und Messermännern“ ausspricht, was vermutlich jede:r Zweite in der Union denkt, zeigt das lediglich einen Abfall der Stilnote. Wer der politischen Verwahrlosung und Hetze begegnen will, der macht sich eigene Rassismen und antiemanzipatorische Reflexe bewusst. Andernfalls ist das Gejammer über die AfD Makulatur. (Katja Thorwarth)