1. Startseite
  2. Meinung

Kein Diamant ist das Leid wert

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

Eine Hand voll Rohdiamanten aus Russland.
Eine Hand voll Rohdiamanten aus Russland. © dpa/(Archivbild)

Wo bleiben die Sanktionen der EU gegen den Handel mit dem Edelstein aus Russland? Das fragen Mickaël Roumegoux Rouvelle und Nona Ratchana Olbrich von der Organisation Transparency. Der Gastbeitrag.

Seit dem Beginn des brutalen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine vor einem Jahr hat die Europäische Union bereits neun Sanktionspakete beschlossen. Die Sanktionen umfassen eine Vielzahl von Maßnahmen, wie etwa Einschränkungen bei Handels- und Finanztransaktionen, das Einfrieren von Vermögen kremlnaher Individuen und Unternehmen oder Einfuhrverbote für bestimmte Waren, darunter auch Kohle, Rohöl und Gold.

Dabei besteht eine bemerkenswerte Ausnahme: russische Diamanten.

Diamanten sind seit jeher ein Symbol von Reichtum und Erfolg. Als Schmuckstein sind sie insbesondere in Nordamerika und Europa begehrt – beide Regionen machen ungefähr 70 Prozent des weltweiten Absatzmarktes aus. Russland verfügt über das weltweit größte Abbaugebiet für Edelsteine.

Der russische Diamantenabbau ist ein lukratives Geschäft und wird zu 90 Prozent vom Konzern Alrosa – dem größten Diamantenproduzenten der Welt – geleistet, an dem der Kreml einen großen Anteil hält. Nach Angaben des International Trade Centre beliefen sich Exporte russischer Diamanten auf 4,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021.

Die USA haben den Handel mit russischen Diamanten längst eingeschränkt. Sie haben bereits am ersten Tag des russischen Einmarsches Sanktionen gegen Alrosa und dessen Geschäftsführer Sergei Ivanov, der zum innersten Zirkel Putins gehört, verhängt. Das Unternehmen pflegt enge Beziehungen zur russischen Marine und hat unter anderem ein gleichnamiges Kampf-U-Boot finanziert. Zudem haben die USA im März 2022 die Einfuhr von in Russland extrahierten oder verarbeiteten Diamanten untersagt.

Trotz Drängens von Ländern wie Polen, Irland und den baltischen Staaten hat die Europäische Union noch keine vergleichbaren Schritte unternommen. Dies lässt sich vor allem auf die herausragende Rolle Belgiens in der globalen Diamantenindustrie zurückführen.

Antwerpen dient seit dem 15. Jahrhundert als Welthauptstadt und Hauptumschlagplatz für Diamanten, die nach Europa kommen – ein Viertel davon aus Russland. Aufgrund dieser Abhängigkeit hat sich Belgien gegen die Forderungen anderer EU-Mitgliedstaaten gewehrt, den Import von russischen Diamanten zu verbieten.

Es ist längst überfällig, dass die EU ein Einfuhrverbot von russischen Diamanten sowie Sanktionen gegen Alrosa und dessen Geschäftsführer beschließt. Des Weiteren müssen EU-Sanktionen gegen russische Rohdiamanten so umfassend gestaltet werden, dass etwaige Tochtergesellschaften und Subunternehmer von Diamantenfirmen nicht mehr mit Edelsteinen handeln können, die ursprünglich in Russland gefördert wurden. Dies bezieht sich auch auf Diamanten, die ursprünglich in Russland abgebaut und dann in einem Drittland zugeschnitten oder poliert wurden.

Darüber hinaus muss die EU mit anderen internationalen Partnern zusammenarbeiten und verbindliche Vereinbarungen über den Handel mit russischen Diamanten aushandeln. Sonst könnte Russland die Sanktionen umgehen, indem es seine Exporte auf Handelsplätze wie Dubai und Mumbai verlagert.

Langfristig gilt es für die Diamantenindustrie, Rückverfolgbarkeitssysteme hinsichtlich des Herkunftslandes der Diamanten zu schaffen. Importeure müssten nachweisen, dass ihre Diamanten nicht aus Russland oder anderen Konfliktregionen stammen. Nur so können wir künftig verhindern, dass Diamanten aus Konfliktregionen ungehindert in der EU verkauft werden.

Es ist unverständlich, dass die EU sich weiterhin Belgiens eigennützigen Interessen beugt. Dabei ist allen bewusst, dass Russland seine Kriegsmaschinerie vor allem dank der Einnahmen aus dem Export von Rohstoffen und natürlichen Ressourcen finanziert. Daher ist es notwendig, dass die EU, neben dem weiteren essenziellen Ausbau der militärischen, humanitären und finanziellen Unterstützung an die Ukraine, jegliche Einnahmequelle Russlands trockenlegt. Nur so kann die russische Regierung an den Verhandlungstisch gezwungen und diesem grausamen Krieg schnellstmöglich ein Ende gesetzt werden.

An diesem Tag, dem Valentinstag, an dem die Liebe weltweit zelebriert wird, appellieren wir an die EU-Regierungen, endlich russische Diamanten zu sanktionieren. Kein russischer Diamant ist das unsägliche Leid wert, das den Ukrainerinnen und Ukrainern widerfährt.

Mickaël Roumegoux Rouvelle ist Projekt Manager bei Transparency International Deutschland e. V.

Nona Ratchana Olbrich arbeitet für das EU-Büro von Transparency International in Brüssel.

Auch interessant

Kommentare