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Kein Befreiungsschlag

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Von: Daniela Vates

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Annegret Kramp-Karrenbauers Rücktritt war eine Kapitulation.
Annegret Kramp-Karrenbauers Rücktritt war eine Kapitulation. © REUTERS

Die CDU hat einen Fahrplan für die Machtübergabe. Doch inhaltliche Fragen werden damit nicht gelöst.

Nun soll es also doch schnell gehen bei der CDU. Auf einem Sonderparteitag Ende April soll der neue Parteivorsitzende bestimmt werden. Nach derzeitiger Lage kann man sich dabei die weibliche Form sparen. Es ist der frühestmögliche Termin für die Wiederbesetzung des Chefsessels, den Annegret Kramp-Karrenbauer nach kurzer Zeit wieder räumt. Und es ist angesichts des desolaten, ratlosen Zustands in der keiner keinem über den Weg zu trauen scheint, die richtige Entscheidung. Ob sie allerdings die Partei stabilisiert, ist noch lange nicht ausgemacht. Und auch die Stabilität der Regierung steht wieder einmal in den Sternen.

Es war von Anfang an eine Illusion, zu glauben, nach der Rücktrittsankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer weitermachen zu können wie bisher. Kramp-Karrenbauer ging ja nicht aus einer Position der Stärke heraus. Ihr Rücktritt war eine Kapitulation, das Eingeständnis mangelnder Unterstützung in der CDU.

Sie kann den Übergang nun nur noch organisatorisch abwickeln. Durchsetzungskraft für wichtige inhaltliche Weichenstellungen hat sie noch weniger als vorher. Das reicht nicht für eine Regierungspartei, die in einer ohnehin schwierigen Koalition zuverlässig agieren können muss.

Es reicht auch nicht für eine Partei, die angesichts von neuen Mehrheitsverhältnissen in Parlamenten zwischen Pragmatismus und holzschnittartig formulierten Grundsatzbeschlüssen schwankt und sich dafür den Ruf als Chefblockiererin sichert, die sich unter anderem selbst im Weg steht.

Die CDU braucht also dringend mehr als ein Sekretariat, das Briefeingänge registriert und Veranstaltungshallen bucht. Sie braucht ein Entscheidungszentrum. Ein neues Zentrum wird es zumindest geben Ende April. Es ist aber denkbar, dass die CDU sich damit in die nächste Unentschlossenheit stürzt. Kramp-Karrenbauer sagt, alle Beteiligten hätten ihre Bereitschaft versichert, jedes Ergebnis zu akzeptieren. Das ständige gegenseitige Belauern werde „jetzt beendet“.

Aber mehr als eine Hoffnung ist das nicht. Schon nach Kramp-Karrenbauers Wahl war schließlich die Teamidee in aller Munde – als Leerformel, an die sich niemand halten zu müssen glaubte. Und auch jetzt deutet wenig darauf hin, dass die möglichen Kandidaten sich in eine Mannschaft einordnen würden, in der sie nicht selbst an der Spitze stehen. Insbesondere gilt das für Friedrich Merz, der seine Ansprüche bisher am brachialsten vertreten hat und dessen Anhänger am unversöhnlichsten aufgetreten sind.

Es droht der CDU also eine Wiederauflage des Rennens von 2018, das nicht als erfolgreiches Modell bezeichnet werden kann. Friedlich wird es wohl nur dann abgehen, wenn Merz der Vortritt gelassen wird – nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor dem nächsten Drama.

Das aber steht ohnehin ins Haus, wenn sich die CDU nicht besinnt. Sie steht derzeit nicht für Miteinander, sondern für Gegeneinander, nicht für Kompromisssuche, sondern für den Sieg von Dominanzgehabe.

Auf diese Weise wird die CDU kein einziges ihrer offenen inhaltlichen Probleme klären. Für die Partei, die sich stets als Hort der Stabilität verstanden hat, ist das brandgefährlich. Die CDU befindet sich nicht nur in einer Führungskrise, sie steht vor einem Existenzproblem.

In anderen Ländern haben christdemokratische und konservative Parteien es vorgemacht. In Frankreich haben die Konservativen sich im Streit zerbröselt. In Italien ist die Democrazia Cristiana schon lange nur noch eine Kleinstpartei. Wenn sie weiter um sich selber kreist, wird auch die CDU Richtung Bedeutungslosigkeit trudeln. Jens Spahn warnt, Angela Merkel dürfe nicht die letzte Unions-Kanzlerin gewesen sein. Was bisher wie ein Witz geklungen haben mag, ist nun nicht mehr unrealistisch.

In dieser Situation könnte eine Lösung naheliegen: Streit mit anderen suchen und einen großen Knall verursachen. Damit ließe sich von eigenen Problemen und Unzulänglichkeiten ablenken. Es könnte die eigenen Truppen zur Geschlossenheit zwingen. Übersetzt hieße das: Den Regierungspartner SPD piesacken und die Kanzlerin zum Rücktritt drängen. Es wäre ein parteipolitisch motivierter Kunstgriff, allerdings ein ziemlich verzweifelter. Und ein durchsichtiger obendrein.

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