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Kein Wettrüsten im Nahen Osten: Langfristig müssen Atomwaffen völkerrechtlich verboten werden

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Von: Alex Rosen

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Der saudische Kronprinz  Mohammed bin Salman stellt klar: „Wenn der Iran eine Atombombe besitzt, so werden wir so schnell wie möglich ebenfalls eine Atombombe entwickeln.“
Der saudische Kronprinz  Mohammed bin Salman stellt klar: „Wenn der Iran eine Atombombe besitzt, so werden wir so schnell wie möglich ebenfalls eine Atombombe entwickeln.“ © afp

Gelingt es nicht, den Atomvertrag mit Iran zu erhalten, werden auch Saudi-Arabien und die Türkei nach der Bombe greifen. Der Gastbeitrag.

In den letzten zwei Wochen stand die Welt am Rand eines Flächenbrands im Nahen Osten. Ein Krieg der USA gegen den Iran hätte katastrophale Folgen weit über die Region hinaus. Und was tut Präsident Trump? Er droht mit Autozöllen gegen die EU, wenn diese nicht den Druck auf den Iran erhöht. Ein perfider Schritt, denn nach der Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA droht erneut ein atomares Wettrüsten zwischen Mittelmeer und Persischem Golf.

Neben dem Atomwaffenstaat Israel und Iran haben auch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Türkei immer wieder atomare Ambitionen demonstriert. Volkswirtschaftlich sinnlose zivile Atomprogramme werden offensiv vorangetrieben, um sich durch den Aufbau einer atomaren Infrastruktur den Griff auf die Bombe zu ermöglichen.

Saudi-Arabien wird auf den Iran reagieren

Wenn der Iran sein ziviles Atomprogramm wieder aufnehmen sollte, wird Saudi-Arabien darauf reagieren. Schon 2018 verkündete Kronprinz Mohammad bin Salman: „Wenn der Iran eine Atombombe besitzt, so werden wir so schnell wie möglich ebenfalls eine Atombombe entwickeln.“

Der Unterstützung der USA kann sich das saudische Königreich dabei sicher sein. Letztes Jahr räumte die US-Regierung gegenüber dem Kongress ein, US-Firmen Ausfuhrgenehmigungen für den Verkauf sicherheitsrelevanter Nukleartechnologie nach Saudi-Arabien erteilt zu haben. Dokumente belegen, dass die US-Firma IP3 die Trump-Administration dazu gedrängt hatte, auf eine Verpflichtung zu verzichten, dass Saudi-Arabien keine US-Atomtechnologie zur Herstellung von Atomwaffen einsetzen dürfe.

Seit 2001 dehnen sich die Kriegszonen im Nahen und Mittleren Osten aus. Die Zahl der Toten und Verletzten durch die Kriege in Afghanistan, im Irak, im Jemen und in Syrien geht in die Millionen. Die Auswirkungen der Kriege auf die Gesellschaften und Volkswirtschaften der Region sind verheerend, ebenso die Folgen für die Umwelt und das Weltklima.

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Alex Rosen.

Viele künftige Generationen werden noch darunter leiden. Durch die Aufkündigung des Atomabkommens und die Verhängung von Sanktionen durch die USA sowie die aktuelle militärische Eskalation spitzt sich die Situation weiter zu. Wie lässt sich diese gefährliche Situation entschärfen?

Kurzfristig müssen Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit Russland und China mit Hochdruck nach Lösungen suchen, um das Atomabkommen noch zu retten. Zudem muss das Thema Abrüstung neben der Klimapolitik auf die Agenda der internationalen Gemeinschaft. Die Staaten der G20 sind für 82 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben verantwortlich, 98 Prozent aller Atomsprengköpfe lagern in ihren Arsenalen. Deshalb muss das Thema auf die Tagesordnung des nächsten G20-Gipfels.

Mittelfristig sollten Deutschland und die anderen EU-Staaten die Idee einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten vorantreiben. Die Staaten der Region, angelehnt an das Vorbild der KSZE, sollten zusammenkommen. 2015 veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung einen Entwurf für einen solchen Verhandlungsprozess, der sowohl die großen politischen Themen wie die Beziehung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien umfasst als auch konkrete Verhandlungen zu Infrastrukturprojekten, Energiekooperationen und Umweltschutz. Die Idee für diese Konferenz hat 2018 UN-Generalsekretär António Guterres aufgegriffen.

Langfristig müssen Atomwaffen völkerrechtlich verboten werden

Die Abrüstung und Ächtung von Massenvernichtungswaffen stellen einen wichtigen Teil dieses Projekts dar. Im November 2019 führten die UN eine Konferenz für den Aufbau einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten durch. 23 Staaten beteiligten sich.

Die USA und Israel boykottierten die Konferenz. Die teilnehmenden Staaten verpflichteten sich zur Ausarbeitung eines verbindlichen Vertrages zur Ächtung von Massenvernichtungswaffen. Dieser soll Vertrauen zwischen den Konfliktparteien aufbauen und die Region vor einem atomaren Wettrüsten bewahren.

Langfristig müssen Atomwaffen völkerrechtlich verboten werden. Solange atomare Abschreckung Teil nationaler Sicherheitsdoktrinen ist, besteht die Gefahr eines Einsatzes von Atomwaffen. Der Atomwaffenverbotsvertrag, den 122 Staaten im Jahr 2017 beschlossen haben, ist der realistischste Weg zu einer koordinierten Abschaffung aller Atomwaffen. Angesichts der drohenden weltweiten atomaren Aufrüstung liegen diese diplomatischen Lösungen im deutschen und im europäischen Sicherheitsinteresse.

Alex Rosen ist Kinderarzt und Co-Vorsitzender der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW). Außerdem hat er die Kampagne ICAN mitgegründet. ICAN erhielt 2017 den Friedensnobelpreis.

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