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Weg mit den Likes

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Von: Marvin Ziegele

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Instagram möchte Like-Zahlen künftig nicht mehr anzeigen lassen. © Lionel BONAVENTURE/AFP

Instagram möchte Like-Zahlen künftig nicht mehr anzeigen lassen. Das ist gut – aus mehreren Gründen. Ein Kommentar.

Kaum ist ein neues Foto gemacht, landet es auch meist schon auf Instagram. Das Bild schnell hochladen, fertig. Dann beginnt das ungeduldige Warten. Schließlich vibriert das Smartphone. Jemandem gefällt das Bild. Der erste Kommentar. Mehr Kommentare. Das Gehirn beginnt Dopamin auszuschütten, da das Belohnungssystem im Gehirn angesprochen wird. Wer sie hatte, will meist mehr davon. Umso merkwürdiger erscheint es auf den ersten Blick, dass Instagram die Kernfunktion jetzt einschränken möchte.

Zunächst nur in den USA - bald auch in Deutschland soll der Test starten. Die Zahl der Likes wird schlicht ausgeblendet. Nun steht dort, wo ehemals eine mal mehr oder weniger große Zahl stand, "Person x und weiteren Personen gefällt das". Wer nun trotzdem wissen will, wie viele Likes das eigene Foto bekommen hat, braucht nicht zu bangen: der User sieht die Zahlen zu seinem eigenen Bild trotzdem. Nur eben bei anderen Bildern nicht mehr. Nun gut – streng genommen könnte er die einzelnen Likes zählen.

Sozialer Druck durch Zahlen  

Hintergrund der Veränderung der Social-Media-Plattform sei, "den Menschen zu helfen, sich auf die Fotos und Videos zu konzentrieren, die sie teilen, und nicht darauf, wie viele Likes sie dafür bekommen" erklärte Instagram. Die Like-Zahlen könnten vor allem unter Jugendlichen für enormen Druck sorgen: Sie gelten umso beliebter, je mehr Likes sie erhalten. Dieser neue Trend trägt den mathematisch anmutenden Titel Demetrisierung (engl. demetrication), also die Abkehr von Messwerten.

Die Likes auszublenden ist gut. Der Druck auf den einzelnen Nutzer könnte dadurch enorm sinken. Bereits im Vorfeld, bevor das Bild überhaupt gepostet wurde, machen sich viele Nutzer Gedanken darüber, ob ihr Bild Likes und Kommentare generieren könnte. Mit dem Wissen, dass niemand anderes beim Scrollen durch den täglichen Instagram-Feed die Zahl sieht, können auch wieder mehr Fotos geteilt werden, die vielleicht nicht massenkompatibel sind, ihren Urhebern aber etwas bedeuten. Einer im Jahr 2016 veröffentlichten Studie zufolge ist den Usern nämlich ebenso wichtig, von wem die Likes stammen – enge Freunde und Familienmitglieder insbesondere.

Selbstverständlich bedeuten die unsichtbaren Likes keine zwingend philanthropische Neuerung von Instagram – die App dient in erster Linie sich selbst. Möglicherweise soll die Funktion auch dafür sorgen, noch privatere Inhalte zu teilen – ohne sich Gedanken über die Likes machen zu müssen. Trotzdem ist das Ausblenden der Herzchen ein Schritt in die richtige Richtung, da sie inzwischen zu einer absurden, meinungsbildenden und den Status betonenden Währung geworden sind. 

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