Verkauf von Viessmann: Hitziges Geschäft

Es gibt gute Gründe für den Viessmann-Deal. Viele davon gehen in der heißen Debatte über die Wärmewende unter.
Die Republik zu erhitzen, ist Viessmanns Kerngeschäft. Aber so hat man sich das im 7500-Einwohner-Ort Allendorf wohl nicht vorgestellt.
Der Plan, den größten Teil des Familienunternehmens an den US-Konzern Carrier zu verkaufen, bringt Kritikerinnen und Kritiker landauf, landab auf Temperatur. Von „Schock“, „Menetekel“ und „Ausverkauf“ ist zu lesen, und der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warnt bereits davor, dass der deutsche Mittelstand „nicht unter die Räder kommen“ dürfe.
Manche Mittelständler:innen würden dem Politiker wohl erklären, dass sie auf diese Art gern „unter die Räder“ kämen. Schließlich geht es nicht um einen Notverkauf, sondern um einen Zwölf-Milliarden-Euro-Deal mit einem profitablen Wachstumsunternehmen.
Viessmann ist allerdings mit diesem überraschenden Geschäft zwischen die Räder der Berliner Koalition geraten. Während Wirtschaftsminister Robert Habeck seine atemlose „Wärmewende“ als grünes Konjunkturprogramm verkauft, sehen seine Kritiker:innen das Projekt mit überhöhter Geschwindigkeit aus der Kurve fliegen. Die eilige Zwangsumstellung auf die Wärmepumpe treibt demnach überforderte Betriebe aus dem Mittelstand in die Arme übermächtiger Konzerne. Für die FDP ist das die Gelegenheit, den Streit über die Heiztechnik auf ihr ureigenstes Terrain zu ziehen, die mittelstandsorientierte Wirtschaftspolitik.
Der Debatte täte ein wenig Abkühlung gut. Nicht dass es an Habeck und seinen Topleuten im Ministerium nichts zu kritisieren gäbe. Beim Heizungsthema sind sie dramatisch weit weg von den Sorgen der Normalbürger:innen. Manches Standardthema von Standortpolitik und Wettbewerbsfähigkeit ist bisher zu kurz gekommen, die Energiewende ist für die Unternehmen zur dauerhaften Nervenprobe geworden.
All das kann man kritisieren – es hat mit dem Fall Viessmann aber weniger zu tun, als viele jetzt glauben machen wollen. Die Familie verkauft nicht, weil die Umstellung auf die Wärmepumpe über ihre Kräfte ginge. Sie verkauft, weil das auch in Deutschland bald ein standardisiertes Massengeschäft sein wird, in dem Größe und Kostenvorteile mehr zählen als alles andere. Schließlich ruft alle Welt nach billigeren Wärmepumpen.
Die Großen dieses Fachs sitzen aber in den USA und Japan, weil die Technik dort längst weiter verbreitet ist. Die deutsche Heizungsindustrie ist auch deshalb mittelständisch geprägt, weil man hier länger an Gas- und Ölkesseln festgehalten hat. Die werden weltweit an Bedeutung verlieren, das weiß jeder in der Branche seit Jahren.
Deutschland ist ein Nachzügler bei der Wärmepumpe, der staatlich verordnete Boom eher eine Aufholjagd. So würden internationale Konzerne auch dann auf ihre Chance hier warten, wenn die Wärmewende um ein paar Jahre gestreckt würde. Aber sind ausländische Investoren ein Problem? Deutsche Unternehmen sind seit Jahrzehnten Auslandsinvestoren in aller Welt.
Technologiewandel bedeutet auch einen Strukturwandel. Einige deutsche Anbieter in der Heiztechnik werden allein weitermachen, viele werden internationale Partner suchen, manche werden aufgekauft werden. Viessmann hat die Gunst der Stunde genutzt und neben üppigen zwölf Milliarden Euro umfangreiche Garantien für den hessischen Standort und die Beschäftigten herausgeholt – bei einem Käufer, der nicht weniger Tradition und Expertise als der deutsche Mittelständler hat, aber mehr Kapital und globale Reichweite.
Gleichzeitig kündigen die Viessmanns an, den größten Teil des Milliardenerlöses in andere Geschäftsfelder rund um die Vermeidung von Kohlendioxid (CO2) zu investieren. Daran sollte man sie messen. So wandert das Massengeschäft zum Großkonzern, und das mittelständische Unternehmen hat Geld, um wieder Neues aufzubauen. Wenn Strukturwandel immer so liefe, hätten wir ein paar Sorgen weniger.
Bericht S. 13