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Ein Himmelfahrtskommando?

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Von: Peter Rutkowski

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Kanzlerin Merkel, Präsident Macron: Das Wort "Kampfflieger" kann vieles heißen. Und noch mehr bedeuten.
Kanzlerin Merkel, Präsident Macron: Das Wort "Kampfflieger" kann vieles heißen. Und noch mehr bedeuten. © rtr

Deutschland und Frankreich wollen gemeinsam ein Kampfflugzeug entwickeln. Fraglich, ob das gut geht - eine Analyse.

Um Himmels Willen: ein deutsch-französisches Kampfflieger-Projekt. Wer braucht denn das? Und darf man daran erinnern, dass die jüngsten militärtechnischen Leistungen Zentralwesteuropas allesamt Rohrkrepierer waren?

Auf deutscher Seite allein schon der überforderte Militärtransporter Airbus A400M und das schmalbrüstige Schnellfeuergewehr G36, worüber man die sagenhafte Sinnlosigkeit des Eurofighter glatt vergaß. Und nun also ein  deutsch-französisches Kampfflieger-Projekt. Nach dem ersten entgeisterten Stirnrunzeln muss man allerdings konzedieren: Es gibt ein paar ganz gute Gründe für „Le Düse“. Es gibt auch eirichtig schlechte.

Um welche Art von Kampfflieger geht es? 

Das Wort „Kampfflieger“ kann vieles heißen. Und noch mehr bedeuten. Politisch, wirtschaftlich, technologisch, strategisch, taktisch. Es kommt darauf an, von was für einer Art Kampfflieger beim deutsch-französischen Ministertreffen am Donnerstag die Rede war. 

Mal angenommen, es ginge um einen Flugzeugtyp à la A-10 Warthog. Das amerikanische Warzenschwein ist ein Erdkampfflugzeug und angesichts seiner rein technischen Finesse ziemlich allein auf weiter Flur in dem militärischen Marktsegment.

Würden die Deutsch-Franzosen so etwas entwickeln wollen, würden sie zwei Signale aussenden. 1. An die USA: Hallo Donald, Europe first. Deine buddies kriegen von uns Konkurrenz. 2. An alle IS-Nachfolger/-Nachahmer: Hallo Jungs, wir wollen eine riesige Menge an Schmerz über euch ausladen.

Beides sehr unwahrscheinlich.

Mal angenommen, es ginge um einen Neuzugang bei der eher konventionellen Jet-Familie (Phantom, Tornado, Rafale, Eurofighter…), also jenen sehr aerodynamischen Maschinen, die aus größtmöglicher Höhe bei größtmöglichem Tempo  Tod und Verderben gen Erdboden regnen lassen – nicht wie das Warzenschwein langsam, erdbodennah und genau.

In dem Fall dürfte man vermuten, dass die Deutschen bestimmt nichts dagegen hätten, wenn die Franzosen sich einfach dem FCAS anschlössen. Hinter dem Zungenbrecher verbirgt sich das „Future Combat Air System“, ein für Früherkennungssysteme schwer erfassbarer Stealth-Bomber, den man außerdem manuell wie robotisch würde fliegen können  müssen. Oder der zumindest in der Lage sein müsste, als „Mutter“ für einen Drohnenschwarm zu fungieren – neben diversen Kampfausstattungen. 

Der A400M konnte viel - außer fliegen 

Bei der Anhäufung von Jobs darf man an den A400M-Flopp erinnern. Der floppte, weil in seiner unmäßig langen Entwicklungszeit wirklich aber auch jeder meinte, irgendwelche Spezifikationen wieder und wieder ändern zu dürfen. Bis das Gerät alle Anforderungen erfüllte. Außer die, fliegen zu können.

Zurück zum FCAS. Wie der Eurofighter, so schreit auch dieses Projekt geradezu danach, auf viele europäische Schultern verteilt zu werden. Angeblich will man den Flieger in den 2030ern oder 2040ern einführen. Das ist ziemlich wenig Zeit, wenn man alles alleine machen muss. Zusammen mit den Franzosen dürfte das zu schaffen sein.

Doch was soll das Ganze? Eine akute Bedrohungslage, die so einen Flieger nötig macht, gibt es derzeit so wenig (und zeichnet sich auch nicht am Horizont ab) wie seinerzeit beim Eurofighter: Der zu bekämpfende böse Sowjetrusse hatte sich ja zwischenzeitlich in ein kurzzeitiges, aufs Scheitern ausgerichtetes demokratisches Experiment verwandelt. 

Für die ach so angesagte „asymmetrische Kriegsführung“ ist so ein Gerät auch weitgehend unbrauchbar. Militärs wissen seit mehr als 100 Jahren/einigen Hundert Jahren/ein paar  Tausend Jahren (je nach historischer Perspektive), dass man die klarsten militärischen Ergebnisse erzielt, wenn man nah am Gegner dran ist. Ganz sicher nicht, wenn man Sekundenbruchteile lang sehr weit entfernt von ihm vorbeidüst. So was sind dann politische Propagandaeinsätze. (im übrigen besonders schäbig, weil sie fast immer nur Nonkombattanten treffen).

Ein Geschenk an die Industrie 

Viel wahrscheinlicher ist das ominöse Kampfflieger-Projekt dazu gedacht, dem militärisch-industriellen Komplex Europas wieder ein bisschen Schwung zu geben. Damit der sich - praktisch allein um sich selbst drehend - ein paar Jahrzehnte weiter am Leben bleibt. Etwa wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme: Braucht kein Mensch, aber das werden wir nie zugeben… Und im Zweifelsfall kaufen die Saudis ein paar FCAS. Weil die Saudis im Zweifelsfall immer irgendein Hightech kaufen.

Sehr wahrscheinlich ist das deutsch-französische Projekt – zumindest zum Teil – der militärtechnische harte Brexit. Die Briten haben traditionell immer gemauert gegen allzu europäische Alleingänge. Was vor allem an den ganz un- und außer-europäischen Interessen britischer Waffenschmieden liegt.

Wenn Berlin und Paris nun ein solches Projekt unter vertragliches Dach und Fach bringen, dann heißt das für London: Piss off! Wenn man so will, könnte dieser Kampfflieger ein diplomatisches Instrument der Brexit-Verhandlungen sein. Im Sinne von: Seht ihr, was das bedeutet, wenn Ihr weiterhin meint, ihr könntet Europa an der Nase rumführen?

Sollte das so sein, wäre sogar Pazifisten zu empfehlen, kurzzeitig mal ganz kräftig mit den Säbeln zu rasseln. Vielleicht wacht London davon endlich auf.

Und dann gibt es noch eine ganz wagemutige Erklärung für das Projekt. Wenn man bei dem FCAS als Blaupause des ominösen Fliegers bleibt, dann sagt dieses FCAS eines ganz zuvorderst: Was die Amis können, das können wir (mit diesem Flugzeug) auch. Also die Weltmacht oder den Weltpolizist geben. So wie die USA am Himmel über Irak und Syrien. Oder Afghanistan. Oder… oder… oder…  Man kann das gut oder schlecht finden – und viele werden es ganz sicher schlecht finden.

Aber wenn die United States of Trump sich erwartungsgemäß in Bankrott und Totalisolation einrollen, dann wird es den Europäern zufallen, den globalen Eine-Welt-Laden nicht komplett vor die Hunde gehen zu lassen. Dann wird so ein deutsch-französischer Kampfflieger ganz schrecklich bitter nötig sein. Hoffentlich kann der fliegen.

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