Auf dem Gipfel fehlt der Sachverstand

Die Gästeliste des Wohngipfels dämpft die Erwartungen. Seehofer hat Bau-Experte Adler zugunsten von Hans-Georg Maaßen in den Ruhestand geschickt. Ein paar gute Ideen gibt es trotzdem. Der Leitartikel der FR.
Die Bundesregierung lädt an diesem Freitag zum Wohngipfel – das ist im Grunde eine gute Idee. Schließlich wachsen gerade in Großstädten wie Berlin, Frankfurt und München die Probleme durch steigende Mieten, ohne dass es bisher politisch eine befriedigende Antwort darauf gegeben hätte.
Es gäbe also gute Gründe, die klügsten Köpfe zum Ratschlag darüber zu bitten, wie neue preisgünstige Wohnungen errichtet werden können und wie sich der Preisauftrieb bei bestehenden Unterkünften bremsen lässt. Die Begleitumstände der auf zweieinhalb Stunden angesetzten Zusammenkunft im Kanzleramt lassen freilich kaum große Erwartungen aufkommen.
Zum einen hat die Bundesregierung mit den bereits verabschiedeten Plänen zur Änderung des Mietrechts klargemacht, dass ihr an einer Wende hin zu einem wirklichen Mieterschutz nicht wirklich gelegen ist. So bleibt die Reform mit einer minimal verschärften Mietpreisbremse und der Absenkung der Modernisierungsumlage von elf auf acht Prozent nur ein Reförmchen. Das eingeführte Baukindergeld belohnt vor allem Haushalte mit guten Einkommen, die sich Eigentum ohnehin zulegen würden. Und die neuen Abschreibungsmöglichkeiten im Wohnungsbau sehen zwar Beschränkungen bei den Baukosten vor, aber keine Mietobergrenzen – weshalb offen bleibt, ob die Wohnungen wirklich günstig sein werden.
Horst Seehofer entlässt Experte Gunther Adler
Zum anderen dämpft aber auch die Gästeliste des Wohngipfels die Hoffnung darauf, dass der Regierung an einem breiten Gedankenaustausch gelegen ist. Nicht nur, dass Innenminister Horst Seehofer (CSU) zwei Tage vor dem Gipfel angekündigt hat, den einzigen Staatssekretär seines Hauses mit Bau-Sachverstand, den SPD-Mann Gunther Adler, in den Ruhestand zu schicken. Er musste Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen weichen.
Nach Angaben der Organisation Lobbycontrol stehen zudem 14 Verbände der Immobilien- und Baubranche auf der Einladungsliste, während die Perspektive der Mieter und Arbeitnehmer lediglich durch den Mieterbund und zwei Gewerkschaften eingebracht werden soll.
Da ist es kein Wunder, dass sich mehr als 200 Mieterorganisationen und Verbände im Vorfeld zu einem alternativen Wohngipfel in Berlin zusammengefunden haben, um ihre Wünsche zu artikulieren. Ihre Stimmen sind die notwendige Ergänzung zur Veranstaltung der Regierung.
Mehr Mieterschutz, preiswerte Wohnungen
Die Initiativen fordern eine Verschärfung des Mieterschutzes, eine neue Bodenpolitik und mehr Investitionen in preiswerte Wohnungen. So sollen beispielsweise Verstöße gegen die Mietpreisbremse mit einem Bußgeld geahndet und Mieterhöhungen in bestehenden Verträgen auf höchstens zehn Prozent in fünf Jahren begrenzt werden. Die Umlage der Modernisierungskosten soll auf vier Prozent sinken.
Besonders wichtig: Grundstücke der öffentlichen Hand sollen nicht mehr zum Höchstpreis verkauft werden. Mit solchen Verkäufen hat gerade der Bund in den vergangenen Jahren auf angespannten Märkten kräftig an der Preisschraube gedreht. Ergebnis war, dass teure Eigentumswohnungen und Apartments auf den ehemals öffentlichen Flächen entstanden. Das soll ein Ende haben. Öffentliche Flächen sollen zudem nur noch in Erbpacht vergeben werden, damit die Grundstücke Bund, Ländern und Kommunen nicht verloren gehen.
Neben den Regulierungen soll es für den Bau von mindestens 100.000 preiswerten Wohnungen Fördermittel geben. Das klingt sehr vernünftig. Denn die Probleme auf den angespannten Immobilienmärkten können nur gelöst werden, wenn zum einen preiswerter Wohnraum entsteht – und wenn zum anderen der Mietanstieg der bestehenden Wohnungen gebremst wird.
Preiswerte Wohnungen benötigen öffentliche Förderung
Nach Lage der Dinge lassen sich preiswerte Wohnungen mit Mieten um 6,50 Euro je Quadratmeter nur durch öffentliche Förderung schaffen. Zwar will die Bundesregierung fünf Milliarden Euro in die Förderung des sozialen Wohnungsbaus stecken, nur leider nicht pro Jahr, sondern in der gesamten Legislaturperiode. Nach Berechnungen des Deutschen Mieterbundes müssten aber sechs Milliarden Euro pro Jahr investiert werden, um 80.000 bis 100.000 Sozialwohnungen errichten zu können.
Selbst wenn es gelänge, so viel zu bauen, wäre das jedoch keine Großtat. So könnte nach Abzug der Sozialwohnungen, die jedes Jahr aus der Bindung fallen, unterm Strich lediglich ein kleines Plus verbucht werden. Noch sinkt die Zahl der Sozialwohnungen nämlich. Nach Angaben des Bauministeriums waren es Ende 2016 in ganz Deutschland noch 1,27 Millionen – rund 62.500 weniger als im Jahr davor.
Dass die Zahl der geförderten Wohnungen sinkt, weist auf ein grundlegendes Dilemma hin: In Deutschland stehen geförderte Wohnungen nur ein paar Jahrzehnte zur Verfügung und gehen dann als mietpreisgebundene Unterkünfte verloren. Ziel müsste sein, Sozialwohnungen dauerhaft zu sichern. Auf dem alternativen Wohngipfel wurde das übrigens ebenfalls gefordert. Vielleicht war ja jemand von der Regierung da und hat zugehört.